Hanna bloggt seit ihrer Schwangerschaft mit dem Rubbelbatz (19 Monate) auf dem gleichnamigen Familienblog. Vor kurzem hat sie außerdem eine Webseite zum Thema Baby Led Weaning ins Leben gerufen.
Viel Spaß beim Lesen
Eure Kathrin
Warum Breifrei?
Unser Sohn ist jetzt 19 Monate alt. Er ist unser erstes Kind. Viele Entscheidungen mussten wir deshalb zum ersten Mal treffen. Bevor er geboren wurde, entschied ich mich, zu stillen. Als er auf der Welt war, wurde daraus schnell Stillen nach Bedarf. Nach etwa sechs Monaten mussten wir dann entscheiden, wie wir ihn an feste Nahrung heranführen möchten. Nachdem ich eine kurze Einführung über „Breifrei“ gelesen hatte, schien uns das der ideale Weg. Wie auch beim Stillen sollte er weiterhin selbst entscheiden können, wann er wie viel Nahrung zu sich nimmt. Das schien mir irgendwie richtig.
Auch wenn sich immer mehr Eltern für diesen Weg entscheiden, ist er vor allem für unsere Elterngeneration immer noch ein ungewohnter. Und, so viel kann ich vorwegnehmen: Ein sauberer ist es auch nicht. Breifrei bzw. Baby Led Weaning basiert darauf, dass man dem Kind verschiedene Lebensmittel anbietet, sobald es reif für Beikost ist. Es kann dann eigenständig die Nahrung mit den Händen und dem Mund untersuchen und irgendwann mehr und mehr davon essen.
Unsere ersten Schritte: Große Sauerei und anfängliches Würgen
Also haben wir unserem Kleinen, als er fast sechs Monate alt war, zum ersten Mal eine babygerechte Kürbislasagne vorgesetzt: Lasagneplatten und Kürbis im Ofen geschmort. Dass das nicht ganz sauber ablaufen würde, war uns klar. Aber das Ausmaß der Sauerei hatten wir offen gestanden unterschätzt. In einer ungeahnten Geschwindigkeit nahm er einen Teil des Essens, verschmierte es überall – auch auf seinem Papa, der ihn auf dem Schoß hielt und dasaß wie paralysiert – nahm dann den Teller und wirbelte ihn samt restlicher Lasagne durch die Luft. Im Magen landete rein. gar. nichts.
Ein paar Tage später versuchten wir es wieder. Mit der Zeit lernten wir, wie wir die maximale Verwüstung verhindern können. Und er begriff allmählich, dass das Essen in den Mund gehört. Dass er auch ohne Zähne darauf herum kauen kann.
Nach wenigen Tagen passierte es dann das erste Mal: Er hustete und würgte und das Essen kam wieder zum Vorschein. Seine Augen tränten und wurden etwas rot. Ich hatte zwar gelesen, dass das kein Grund zur Sorge war – es live an meinem Baby zu sehen, war jedoch etwas anderes. War Brei vielleicht doch die babygerechtere Beikost? So richtig vertrauen konnte ich der Sache anfangs nicht. Ich legte ihn vorsichtshalber über’s Knie und klopfte das Essen wieder heraus. Auch die nächsten drei Male wendete ich die Klopfmethode an. Doch allmählich verinnerlichte ich: Solange er noch Luft bekommt, kann er sich selbst helfen. Würgen bedeutet nicht Ersticken.
Der Unterschied zwischen Würgen und Ersticken
Denn Würgen, Husten und sogar Erbrechen sind an sich nicht gefährlich, sondern Schutzreflexe, die den Körper vor dem Ersticken schützen. Dadurch wird verhindert, dass das passiert, wovor wir instinktiv Angst haben: Dass Nahrungsstücke, die zu groß zum Schlucken sind, in der Speise- oder Luftröhre stecken bleiben und unser Kind keine Luft mehr bekommt. Dass es also am Essen erstickt. (Vgl. Rapley, Gill und Tracey Murkett: Baby Led Weaning. Das Grundlagenbuch*. Kösel Verlag, 2013: S. 64)
Mit diesem Wissen im Hinterkopf zwang ich mich, nicht jedes Mal einzugreifen, sondern ich ließ ihn einfach machen. Dabei beobachtete ich unseren Sohn sorgfältig und ließ ihn beim Essen nie alleine. Nach einigen Wochen setzte ich ihn von meinem Schoß in den Hochstuhl – ein aufrechter Sitz ist sicherer als eine (halb) liegende Position, denn so rutscht die Nahrung nicht unbeabsichtigt in den Rachenraum. Tatsächlich passierte es nicht einmal dass er wirklich keine Luft mehr bekam. Meistens kam die Nahrung in hohem Bogen mit einem Würgen oder Husten heraus. Einige Male übergab er sich sogar – aber auch dadurch kamen große Stücke zuverlässig wieder heraus. Ihn schien das wenig zu stören. Er machte danach weiter, als wäre nichts passiert. Nach wenigen Wochen hörte diese Phase auf und er konnte ohne Komplikationen essen.
Warum Baby Led Weaning vielleicht sogar vor dem Ersticken schützt
Tatsächlich kann jeder Mensch, auch Erwachsene, an Gegenständen oder Nahrung, die in Luft- oder Speiseröhre stecken bleiben, ersticken. Allerdings lernen wir im Kleinkindalter, Dinge im Mund gar nicht so weit nach Hinten zu lassen, dass das passieren könnte. Wir lernen, die Nahrung mit der Zunge herumzuschieben und im Mundraum zu zerkleinern, bis sie breiig genug ist, um geschluckt zu werden. Wenn doch einmal etwas zu weit nach hinten rutscht, wird an einem bestimmten Punkt im Rachen der Würgereflex ausgelöst. Dieser Punkt liegt bei Erwachsenen viel weiter hinten, als bei Babys. Das heißt, Babys würgen relativ schnell – auch schon, bevor es wirklich gefährlich wird. Biologisch ist das wirklich sinnvoll und gibt Babys die Möglichkeit, relativ gefahrlos das Essen zu lernen.
Dieser Logik folgend könnte man also sagen: Kleine Babys sind noch besser vor dem Ersticken geschützt als ältere Babys bzw. Kleinkinder. Denn zu dem Zeitpunkt, an dem der Punkt für den Würgereflex am Gaumen nach hinten wandern, haben Baby Led Weaning Kinder das sichere Essen von fester Nahrung längst erlernt. (Vgl. Rapley, Gill und Tracey Murkett: “Baby Led Weaning. Das Grundlagenbuch“. Kösel Verlag, 2013: S. 63)
Was tun im Ernstfall?
Natürlich ist die Angst vor dem Ersticken aber nicht ausgedacht. Es kann wirklich passieren, dass große Nahrungsbrocken oder andere kleine Gegenstände in die Luftröhre oder die Speiseröhre geraten (egal bei welcher Form der Nahrungsaufnahme) und das Baby keine Luft mehr bekommt. Wenn Dein Baby also auch nach einigen Sekunden nicht wieder normal atmet und weiter isst, sondern anhaltend würgt oder nach Luft ringt, muss unbedingt ein Erwachsener eingreifen. Dazu solltest Du diese Punkte wissen:
- Versuche nie, etwas mit den Fingern aus dem Rachenraum zu entfernen. Dadurch würdest Du es nur weiter nach hinten schieben und die Situation verschlimmern.
- Versuche zunächst, die Blockade herauszuklopfen. Dazu muss der Kopf des Kindes sich weiter unten befinden, als der Brustkorb. Das geht gut, indem man das Kind über die Knie legt. Dann klopfe einige Male fest mit der flachen Hand von unten zwischen die Schulterblätter.
- Wenn sich der festsitzende Gegenstand dadurch nicht entfernen lässt, bleibt nur noch der sogenannte Heimlich-Handgriff:
Bei Kleinkindern ab 1 Jahr: Nimm Dein Kind vor deine Brust, sodass sein Rücken an deinem Bauch anliegt. Dann drückst Du mit einer starken, ruckartigen Bewegung mittig auf den Brustkorb des Babys. Dadurch soll die restliche Luft, die sich in den Lungen befindet, herausgedrückt werden und die festsitzende Nahrung wird wieder herausgeschleudert. Dabei ist es wichtig, die Luft nicht langsam und sanft herauszudrücken, denn dann sind die Lungen leer und der Heimlich-Handgriff kann nicht mehr angewendet werden.
Bei Babys unter einem Jahr: Leg Dein Baby mit dem Gesicht nach oben auf den Arm oder die Oberschenkel. Drücke dann das Brustbein fünfmal mit zwei Fingerspitzen drei bis fünf Zentimeter (ein Drittel des Brustkorbes) ein (hier gibt es eine schöne Grafik dazu). - Im Falle eines echten Erstickens kann ein Notarzt leider nicht weiterhelfen, weil er nach dem abgesetzten Notruf viel zu spät eintreffen würde. Schon nach wenigen Minuten Sauerstoffmangel treten beim Menschen erste Schädigungen des Gehirns auf. Deshalb ist es wichtig, dass Du selbst handelst und nicht abwartest.
- Um im Ernstfall richtig zu handeln, ist ein Erste-Hilfe-Kurs für Kinder sehr empfehlenswert. Wer, wie ich, nicht die Zeit dazu findet, dem kann ich zumindest eingehende Lektüre zum Thema ans Herz legen.
Quelle: Schnelle Hilfe für Kinder* von Janko von Ribbeck. Kösel Verlag, 2006; S. 54-58)
Und wir so?
Heute macht unser Sohn noch immer eine große Sauerei beim Essen – wenn man ihn lässt. Feinmotorik ist nicht so seine Stärke und er hat selten genug Geduld, den Löffel zu benutzen. Was ich übrigens lange nicht wusste: Viele Kinder lernen das auch erst mit etwa 18 Monaten. Denn laut Dr. Hand-Ulrich Neumann, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg, ist das Handgelenk, das beim Löffeln eine Drehbewegung ausüben muss, vorher noch nicht fertig ausgebildet.
Trotz der extra Putzeinheiten würde ich denselben Weg wieder gehen. Ihm zuzusehen, wie er diesen Teil des Lebens mit allen Sinnen erforscht, fühlte sich für mich einfach richtig an. Mich zurückzuhalten und ihm zu vertrauen, während er würgte und hustete, war in dem Moment zwar weniger schön, aber trotzdem eine gute Übung. Denn neben dem Essen gibt es so viele weitere Situationen in unserem Leben, in denen ich ihm Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten vermitteln möchte – indem ich eben nichts sage und nicht eingreife. Als besorgte Mama ist das manchmal einfacher gesagt als getan, das gebe ich zu. Aber mir ist es wichtig, ihm diese Erfahrungen zu ermöglichen.