Kurz nach meinem letzten Artikel – nach etwa nach drei Wochen hier in New York – erreichte meine Laune das erste große Tief. Es gab nicht den einen großen Auslöser, es waren viel mehr die kleinen alltäglichen Sachen, die mich emotional aus dem Ruder warfen.
Mir fehlten meine Freundinnen ganz schrecklich. Mir fehlte unser Auto. Die Nachmittage, an denen wir Ausflüge mit den Spielkameraden der Kinder unternahmen. Der gesamte gewohnte Wochenablauf.
Stattdessen hing ich allein mit den Kindern in Larchmont fest. Ich fühlte mich elend. Irgendwie eingesperrt.
Das mag vielleicht seltsam erscheinen, weil ich ja ein Rad mit Anhänger für die Kinder gekauft hatten. Nur leider sind viele schöne, etwas weiter entfernte Ziele für mich damit nicht erreichbar, weil die Strecken hier zum Teil sehr hügelig sind und es sich bei jedem Anstieg anfühlt, als wenn mich beide Kinder mit aller Kraft zurückziehen. Bereits nach wenigen Kilometern erreiche ich meine Muskelschmerzgrenze. Also war ich gezwungen mich in einem recht kleinen Radius (maximal acht Kilometer) und öfter an den gleichen Orten mit den Kindern zu bewegen.
Das entspricht allerdings so gar nicht meinem Typ. Ich bin neugierig und unternehmungslustig, steuere am liebsten jeden Tag ein neues Ziel an. Erst Recht in einer fremden Gegend. Nun musste ich mich mit den Spielplätzen hier im Ort und unserem Hinterhof zufrieden geben. Das schmeckte mir überhaupt nicht.
Die Dinge nehmen wie sie kommen
Und so knurrte ich zunächst ein paar Tage vor mich hin. An den Abenden lag ich jedoch bereits wieder optimistisch im Bett und durchwühlte Pinterest nach einfachen Spielideen für Haus und Hof. Denn die Tage nicht mit lauter Ausflügen und Unternehmungen vollzupacken, hatte durchaus auch Vorteile.
Wir konnten uns beispielsweise jeden Morgen völlig entspannt fertig machen und das Haus verlassen, wann immer uns der Sinn danach stand. Manchmal fuhren wir bereits kurz nach dem Frühstück zum Spielplatz, dann wieder verbummelten wir den gesamten Vormittag zu Hause.
Statt den Kopf in den Sand zu stecken, ließ ich mich voll und ganz darauf ein, eine schöne Zeit mit den Nestlingen zu verbringen – völlig egal wo. Denn im Grunde war es ihnen Schnuppe, ob wir zum Mond fliegen oder zum Hausspielplatz radeln. Für sie war und ist es nur wichtig, dass wir zusammen sind und Spaß haben. Und Spaß hatten wir in den letzten Wochen mehr als genug.
Aktivitäten und Ideen für einen „Hausurlaub“
Ich hörte also auf großartige Pläne zu schmieden und lebte mit den Kindern mehr oder weniger in den Tag hinein. Wir verbrachten täglich viele Stunden an der frischen Luft, aber ich ließ sie zwischendurch auch Fernsehen. Übrigens wesentlich öfter als in Deutschland, weil mir hier niemand die Kinder abnehmen kann, weil ich mich damit beruhigte, dass englische Kinderserien ihnen sicherlich beim Erlernen der Sprache helfen. Und weil ich wusste, dass wir mit dem Beginn des Sommercamps (am 5. Juli) keine Zeit mehr dafür finden würden.
Unsere Unternehmungen waren meist nichts besonderes, aber die Nestlinge fanden es super, dass ich so viel Zeit mit ihnen verbrachte – dass ich weniger mit anderen Mamis quatschte und wesentlich mehr mit ihnen spielte.
Es gelang mir jeden Tag beide mehrfach so richtig zum Lachen zu bringen. Bei all den kleinen Startschwierigkeiten hier in New York und unserer emotionalen Berg- und Talfahrten fühlte sich das einfach großartig an.
Hier ist übrigens eine kleine Liste mit den Dingen, die ich mit den Rackern unternahm. Aus meiner Perspektive nichts Großartiges wirklich, aber die Kinder mochten es sehr:
- Mit Kreide malen
- Draußen mit Farbe malen
- Museum (Kindermuseum) besuchen
- Bücherei durchstöbern
- Gemeinsam spazieren gehen (die Umgebung erkunden)
- Kinder die Richtung bestimmen lassen
- Eistiere schlüpfen lassen
(die Idee stammt von der lieben Tollabea)
- Eis selber machen
- Fangen im Park spielen
- Verstecken spielen
- Frisbee/ Ball spielen
- Picknick im Park
- Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren
- Puzzle legen
- Pool aufbauen
- Wasserpistolen-/ Wasserbombenschlacht
- Hindernis Parcours in der Wohnung aufbauen
- Gegenstände unter einer Decke erraten
(hatte ich hier bereits ausführlich erklärt) - Kuscheliger Filmnachmittag
- Zusammen malen (Ausmalbild/ Stempeln/ Stickerbilder aufkleben)
- Kneten
- Mit Papier Basteln (Origami)
- Zum Meer gehen
- Zusammen kochen
- Von den Kindern geführtes Spiel
(sie dürfen schlichtweg bestimmen, was wie und wie lange gespielt wird bzw. wer in welche Rolle schlüpft)
Hauptsache den Kindern geht es gut…
Ich setzte also den Fokus auf die Kinder und vernachlässigte dabei meine Bedürfnisse und auch die Blogarbeit. Ich war nur für sie da. Rund um die Uhr.
Die Kinder genossen es, doch ich merkte wie sich meine Akkus allmählich entluden. Ich bemühte mich zwar darum, einen angenehmen Tagesablauf für die Kinder zu gestalten, und wie gesagt, wir kicherten viel zusammen. Doch gleichzeitig lagen meine Nerven an manchen Tagen so blank, dass ich bereits bei Kleinigkeiten motzte oder ihnen zu verstehen gab: „Ich habe heute echt schlechte Laune, vielleicht lasst ihr mich besser ein paar Minuten in Ruhe!“. Eine wirklich seltsame Mischung.
In dieser Phase stritten die Nestlinge ungewohnt oft miteinander und ich dachte häufig an den Satz „glückliche Kinder brauchen glückliche Eltern“ und wie ich das hier wohl bewerkstelligen soll. Ohne Freunde und Familie, ohne Unterstützung oder zumindest emotionale Rückendeckung. Ich erinnere mich noch gut daran, wie krank ich mich fühlte, als ich vor zwei Wochen meine Menstruation bekam. Wie ich mich einfach nur im Bett verkriechen wollte. Und wie ich mich letztendlich doch aufrappelte meinen Kindern zuliebe. Wie angenehm der Nachmittag war und dass ich ihre lachenden Gesichter genoss. Aber dass das allein leider nicht reichte, um meine Grundstimmung zu heben…
Neue Nachbarn – ein unerwartetes Geschenk
Dann zogen unsere neuen Nachbarn ein (in die erste Etage – wir bewohnen die zweite und dritte). Ein Ehepaar in exakt unserem Alter mit zwei Kindern (5 und 8 Jahre) und wir verstanden uns auf Anhieb prima. Sie hat sich zugunsten ihrer Nestlinge gegen ihren Job entschieden und ihren Sohn ebenfalls 2,5 Jahre gestillt. Aber es gibt noch wesentlich mehr Gemeinsamkeiten, die uns verbinden.
Nachdem ich auf den Spielplätzen hier nur sehr harschen Nannys und Eltern begegnet bin (und glaubt mir, ich übertreibe nicht), ist sie ein wahres Geschenk. Eine echte Wohltat. Und ein Hoffnungsschimmer. Weil ich nun sicher weiß, dass es hier mehr Gleichgesinnte gibt.
Eine „Verbündete“ in unmittelbarer Nähe zu haben, ließ mich aufblühen. Statt die Kinder zu unterhalten, quasselte ich in den letzten Tagen viele Stunden mit ihr, während unsere Racker gemeinsam spielten und lachten. Glücklicherweise verstehen auch sie sich hervorragend, so dass ich meine Kräfte mit gutem Gewissen schonen kann.
Nachdem wir in unserem letzten Haus so viel Pech mit den Nachbarn hatten, meinte es das Schicksal diesmal scheinbar gut mit uns. Ich kann nicht annähernd beschreiben, welch positive Schwingungen das in mir freisetzt. Ich bin jedenfalls unfassbar dankbar und freue mich sehr auf unsere gemeinsame Zeit in unserem gemeinsamen Haus 🙂
Endlich „zu Hause“
Apropos Haus. Obwohl mir unsere Wohnung von Anfang an gut gefiel, fühlte ich mich lange Zeit fremd hier. Das lag sicherlich hauptsächlich an der Tatsache, dass wir in leeren Zimmern hausten. Mittlerweile hat sich vieles hier geändert und mit jedem Möbelstück, das einzog, wirkten unsere Räume wohnlicher und gemütlicher.
Was mich total verblüffte, war die Tatsache, dass hier öfter gebrauchtes, aber unfassbar gut erhaltenes Mobiliar und Spielzeug einfach verschenkt wird. Thomas holte zum Beispiel letzte Woche eine nahezu unbenutzte Kidkraft Kinderküche in der Nachbarschaft ab. Die Kinder waren hellauf begeistert und auch ich freute mich wie verrückt, da wir somit nicht nur ein sinnvolles Spielzeug, sondern auch einen neuen, dekorativen Einrichtungsgegenstand ergattert hatten.
Wir sind zwar noch lange nicht komplett eingerichtet, es fehlt beispielsweise noch eine Couch, aber mein Gefühl hat sich bereits grundlegend geändert. Ich bin nicht mehr ein Besucher an einem fremden Ort – zumindest in den ersten Wochen kam ich mir so vor. Es ist mein zu Hause und ich wäre wirklich traurig, wenn ich es jetzt verlassen müsste. Ein klitzekleines Stück weit bin ich wohl angekommen.
Ich kenne mich aus
Herum gekommen bin ich ebenfalls in den letzten Wochen. Das regelmäßige Radeln bewirkte, dass ich mich hier mittlerweile auch ohne Google Maps gut zurechtfinde. Viele Straßen und (Spiel-)Plätze, ja sogar so manches Gesicht (Briefbote, Spielplatzwart usw.) sind mir vertraut. Das wirkt sich ebenfalls positiv auf mein Wohlbefinden aus.
Bin ich zufrieden, geht es den Kindern besser
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Nestlinge ausgeglichener sind, weniger streiten und mehr miteinander spielen, seit ich mich in vielerlei Hinsicht wohler fühle. Vor allem beim Mädchen spüre ich eine deutliche Veränderung, was mich sehr erleichtert.
Das Blöde ist nur, dass es nicht nur Sonnenschein, sondern manchmal eben auch schwierige und sehr chaotische Phasen im Leben gibt. Dass die Kinder (zumindest meine) darauf in der Regel mit Doppelchaos reagieren, ist doppelt blöd. Und doppelt kräftezehrend.
Dennoch habe ich mich nicht unter Druck gesetzt, eine immer lächelnde Mutter sein zu müssen. Die Kinder dürfen ruhig mitbekommen, dass ich auch nur ein Mensch und begrenzt belastbar bin. Ich versichere ihnen lediglich, dass mein Tief nichts mit ihnen zu tun hat. Ansonsten nehme ich mir hier die Zeit, die ich hier für meine Traurigkeit und für meine weniger guten Momente brauche.
Lichtblick Geburtstag
Im Juni ist das Mädchen sechs geworden, was ihr vielleicht mitbekommen habt, weil ich ihr einen Geburtstagsbrief geschrieben hatte. Am Morgen hatte es wie aus Eimern geschüttet, aber bereits gegen Mittag kämpfte sich die Sonne durch und schenkte uns 30 Grad, so dass ich ihr ihren Geburtstagswunsch erfüllen und endlich mit ihr in ein Schwimmbad fahren konnte. Die Schwimmbäder hatten ja alle bis einen Tag vor ihrem Geburtstag geschlossen…
Als Geschenk hatte sie sich bereits Wochen vorher ein Fahrrad ausgesucht und nun düst auch sie radelnder Weise durch die Straßen.
Summer Camp: „Ich will lieber zu Hause bleiben!“
Was soll ich zu diesem Thema sagen? Als ich das Mädchen letzten Mittwoch abgegeben habe, hätte ich am liebsten Rotz und Wasser geheult. Sie war zum ersten Mal in der Obhut fremder Menschen, mit denen sie sich noch nicht mal ansatzweise verständigen konnte. Es gab keine Eingewöhnungszeit, sondern nur ein „Tschüss! Ich hab Dich lieb!“ Zudem konnte ich weder einschätzen wie mit den Kindern im Camp allgemein umgegangen wird, noch wie sie „Ausländer“ hier behandeln.
Am ersten Tag dachte ich unentwegt an sie und ich hätte sie am liebsten zwischendurch angerufen. Dieser Tag war wirklich furchtbar schrecklich für mich, weil ich wusste, dass es hart wird für sie, aber ich sie komplett ohne meine Hilfe losziehen lassen muss.
Als ich sie abholte, wirkte sie müde, aber recht entspannt. Sie ging am nächsten Morgen wieder freiwillig hin, aber bereits am Ende des zweiten Tages, sagte sie mir, dass sie lieber zu Hause bleiben möchte. Ich konnte das absolut verstehen.
Doch ganz davon abgesehen, dass uns die sechs Wochen Sommercamp 1200 Dollar kosten, halte ich es nach wie vor für einen super Englisch-Intensiv-Sprachkurs, der ihr den Einstieg ins Schulleben erleichtern wird. Obwohl ich zu Kindergartenzeiten immer gesagt hätte: „Ach, dann bleib doch zu Hause!“, versuchte ich sie mit guten Argumenten vom Camp zu überzeugen. Und so ging sie auch Freitag wieder hin, freute sich aber riesig auf das Wochenende.
Nun leiste ich täglich Aufbauarbeit und versuche sie zu motivieren. Glücklicherweise beinhaltet das Sommercamp auch aufregende Ausflüge, gestern fuhren sie zum Beispiel ins „Trampolinland“. Doch obwohl ihr solche Aktivitäten Freude bereiten, ist es streckenweise anstrengend und frustrierend für sie, weil sie niemand versteht und sie sich nicht richtig mitteilen kann. Aber ich tröste mich damit, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Sprachknoten platzt. Außerdem beobachte ich (auch außerhalb des Sommercamps), dass sie – offen und neugierig wie sie ist – auch wortlos Kontakte knüpfen kann.
Das Mädchen ist von 9 Uhr bis 15 Uhr im Camp und der Bub und ich, wir verbringen dementsprechend viel Zeit alleine. Auf dem Foto unten packen wir gerade entspannt das Frühstück (Porridge) aus, während wir beobachten wie die Camp-Kids die gelben Schulbussen für den Ausflug besteigen.
Kleine Ärgernisse: Kein Herd und keine Pakete
Dass ich unseren Herd immer noch nicht benutzen kann, nervt mich etwas. Das liegt daran, dass unser Haus jahrelang leer stand, der neue Eigentümer (unser Vermieter) die maroden Gasleitungen komplett neu verlegen musste und wir jetzt das grüne Licht des zuständigen Amtes benötigen, welches sich alle Zeit der Welt für die notwendige Prüfung nimmt.
Ich bereite dementsprechend seit sechs Wochen unser Essen auf zwei Campingkochern zu. Das ist grundsätzlich machbar, aber da das Mädchen ja seit Mittwoch ins Sommercamp geht, wünsche ich mir meinen Herd schneller denn je zurück: Für eine größere Auswahl an Lunchboxfüllungen.
Außerdem verstimmt uns die Tatsache, dass drei von neun Paketen, die wir aus Deutschland geschickt hatten, nicht angekommen sind. Ausgerechnet die mit den teuersten Inhalten (Scanner, Sonos Boxen usw.). Weil draußen als Zollerklärung fein leserlich drauf steht, was drin ist, werde ich den Gedanken nicht los, dass ein Langfinger am Werk war. Leider können wir gerade nur warten und hoffen, dass unsere Nachforschungsaufträge zu einem positiven Ergebnis führen.
Große Aufregung: Autokauf
Wenn alles gut läuft, haben wir am Freitag endlich ein Auto. Wir haben uns gegen Leasing und für einen Gebrauchtwagen entschieden. Denn uns vertraglich auf zwei oder drei Jahre mit einem Leasingvertrag festzulegen, war uns zu heiß. Damit fühlten wir uns nicht wohl.
Ich werde sicherlich weiterhin mit Rad und Anhänger durch Larchmont radeln, aber ich freue mich darauf, nicht mehr völlig durchnässt bei heftigem Regen fahren zu müssen (siehe Foto), die Einkäufe bequemer transportieren zu dürfen und problemlos etwas weitere Kreise ziehen zu können.
Schlussgedanke
Heute auf den Tag genau sind wir sechs Wochen in New York. Es gab viele kniffelige Situationen und schwere Momente, aber wir hatten auch jede Menge Glück. In vielerlei Hinsicht. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass es überwiegend positiv für uns weitergehen wird.
Mit der Familie unter uns habe ich auch die Hoffnung, dass wir den Winter und eventuelle Krankheitsphasen gut überstehen werden. Dass wir uns gegenseitig unterstützen können, wenn Hilfe benötigt wird. Diesen Aspekt finde ich ungemein beruhigend, genauso wie die Tatsache, dass es eine gute Aussicht auf weitere soziale Kontakte gibt, denn das Angebot für Familien ist wirklich sehr groß hier.
Davon abgesehen, dass ich wünschte meine liebsten Mädels aus Deutschland wären hier, bereue ich unsere Auswanderung kein bisschen. Zumindest bislang. Wir sind die motzigen Nachbarn los, haben schon seit Wochen herrliches Sommerwetter und darüber hinaus noch einiges hier zu erkunden. Ich bin also weiterhin bereit das Abenteuer fortzusetzen. Und mehr als gespannt wo diese Reise uns noch hinführt!
Eure Kathrin