Es ist (m)eine große Baustelle. Ich liebe meine Kinder und ich liebe meinen Mann. Und trotzdem kracht es oft. Mit dem Mann, gar nicht so sehr mit den Kindern. Denn als Mutter bin ich ziemlich reflektiert: Ich erziehe bedürfnisorientiert und bin mir dessen bewusst, dass meine Kinder Gefühle haben, die sie auch zum Ausdruck bringen sollen dürfen. Ich behandle sie mit Respekt und bringe ihnen Verständnis entgegen. Wenn mein Vierjähriger mit schlechter Laune aus dem Kindergarten zurückkommt und mich ankeift, vielleicht als „blöde Mama“ beschimpft, dann bin ich nicht sauer. Ich hinterfrage stattdessen: „Warum ist er so wütend? Hat er womöglich Streit mit einem Freund gehabt? Oder Ärger mit einer Erzieherin?“. Ich weiß, dass sich meine Kinder meiner Zuneigung absolut sicher sind und mich in solchen Momenten einfach als Ventil brauchen. Bei ihnen lasse ich es zu.
Mutter und Ehefrau: Meine zwei Gesichter
Meinem Mann gegenüber ist meine Toleranzgrenze deutlich niedriger. Wir haben zur Zeit Beide eine ziemlich kurze Zündschnur – haben uns vor Kurzem Beide beruflich verändert, was uns glücklich macht, aber auch mit zusätzlichem Stress verbunden war (und ist.) Dazu kommt der Alltag mit zwei Kleinkindern. In dem man kein Gespräch in Ruhe zu Ende führen kann, meistens nicht einmal dazu kommt, seinen Satz zu beenden, weil einer von zwei kleinen Menschen neue Apfelspalten geschnitten bekommen möchte (ohne Schale!), während der Andere aus dem Kinderzimmer ruft, dass er jetzt endlich mit einem von uns die Ritterburg aufbauen möchte (zum sechsten Mal!).
In unserem Chaos reicht es oft nur für einen emotionslosen Informationsaustausch: „Ich hab heute eingekauft – hast du das Knöllchen bezahlt?“. Liebevolle Worte kommen uns nur noch selten über die Lippen. Was dafür ganz schnell rausflutscht, sind Zickereien. Genervtes Gestöhne, weil einer die Wäsche vergessen oder einer den Papierkram nicht erledigt hat. Und dann geht’s los: „ICH hab hier den ganzen Tag dies gemacht, DU könntest dann wenigstens jenes…“.
Nichts ist einfacher als in der Kommunikation zu scheitern
Dabei wissen wir Beide: Das ist keine wertschätzende und konstruktive Kommunikation. Wir benutzen beide keine Ich-Botschaften. Sagen nicht, was es in uns auslöst, wenn der Andere etwas vergessen hat, das uns wichtig war. Wir benennen dabei nicht unsere Gefühle. Wir werfen uns nur gegenseitig etwas vor, generalisieren und kommen dabei vom Hölzchen aufs Stöckchen. Fehler eingestehen? ICH doch nicht!
Mir fällt es eindeutig noch schwerer als ihm, mich zum Beispiel zu entschuldigen, wenn ich unfair gewesen bin. Doch warum ist das so? Bei meinen Kindern kann ich das gut. Ich entschuldige mich, wenn ich zu schnell genervt war oder laut geworden bin, erkläre ihnen, warum ich so schnell hochgegangen bin und gebe Schwächen offen zu. Das ist sicher toll für meine Kinder. Auf der anderen Seite bekommen sie aber auch mit, wie ihre Eltern in Streitsituationen miteinander umgehen – und das ist dann leider gar nicht mehr so vorbildlich.
Versteht das jetzt nicht falsch: Hier fliegen keine Teller, wir schreien uns nicht an und beschimpfen uns nicht wüst. Aber wir machen uns gegenseitig Vorwürfe – während der eine die Spülmaschine ausräumt, der Andere den Tisch abwischt und die Kinder noch in ihrem Kinderstuhl sitzen und mit den Playmobil-Polizisten spielen. Manchmal geht einer dabei noch aus dem Raum, um woanders weiter aufzuräumen – um dann beim Wiederreinkommen zu Ende zu nörgeln.
Gefährdung der emotionalen Sicherheit: Was Streit mit Kindern macht
Das ist kein respektvolles Miteinander. Und es wirkt sich auf die Laune der Kinder aus. Die 1,5-Jährige will dann meist schnell auf meinen Arm und wird ganz schmusig. Und der 4-Jährige? Wird genauso pampig wie wir. Er kann ganz mild und fürsorglich sein, sich um uns kümmern, seiner Schwester etwas zu Essen reichen und uns mit Umarmungen verwöhnen. Er kann aber auch ganz böse schauen und in einen herrischen Ton verfallen. Wenn er dann nicht bekommt, was er möchte, wird er körperlich. Oder droht zumindest damit. „Wenn ich jetzt nicht … darf, dann grab ich ein tiefes Loch und schubs Euch da rein!“. ( Siehe auch: Aggressives Verhalten beim Kleinkind)
Aber ist das verwunderlich, wenn wir ihm teilweise so ein schlechtes Miteinander vorleben? Es ist nur eine logische Konsequenz. Denn selbst, wenn Kinder nicht im gleichen Raum sind: Sie sind sehr aufmerksam. Sie hören den Streit unter Umständen oder spüren ihn und kommen dabei in einen inneren Konflikt. Denn Kinder haben das Gefühl, sie müssten sich für einen Elternteil entscheiden – was sie nicht können (und auch nicht sollten). Außerdem glauben sie oft, sie seien Schuld am Streit der Eltern. Psychologen empfehlen deshalb, sie ganz klar wissen zu lassen, dass sie nicht verantwortlich sind und in Streitsituationen fair zu bleiben. Denn es gefährdet die emotionale Sicherheit des Kindes, wenn der Streit von Aggressionen oder Gewalt geprägt ist – wenn ein Elternteil dabei zum Beispiel offen abgewertet wird. Kinder versuchen in diesem Fall oft, den Streit zwischen den Eltern zu beenden, um ihr inneres Gleichgewicht wieder herzustellen. Etwas, das ich bei meinem Sohn schon häufig erlebt habe. „Jetzt hört doch mal auf zu streiten!“. Unser Warnschuss.
Ein guter Streit endet mit einer Einigung – nicht mit einem Sieg
Den Zusammenhang haben wir erkannt. Mein Mann und ich versuchen zumindest, uns anders zu verhalten. Was nicht bedeutet, dass wir vor den Kindern gar nicht mehr streiten. Denn Streit gehört zum Leben dazu und ich finde es wichtig (und unvermeidlich), das meine Kinder ihn auch (mit-)erleben. An und für sich ist ein Streit nämlich gar nichts Schlimmes. Er kann sogar zu etwas positivem Neuem führen – wenn man dabei sachlich bleibt und nicht persönlich wird. Wenn man seinem Gegenüber zuhört und es ernst nimmt mit seinem Ärger. Allerdings gelingt uns das nicht immer. Wenn ich ehrlich bin, gelingt es uns sogar nur sehr selten. Weil es mir nach wie vor schwer fällt, meinem Mann gegenüber Schwächen einzugestehen. Ich mag mich nicht gerne entschuldigen und noch weniger mag ich die Gefühle preisgeben, die hinter meinem Ärger und meiner Wut über die nicht angesetzte Waschmaschine stecken. Es ist, als wäre da ein dicke Wand, die ich nicht einreißen kann und – ganz ehrlich – auch nicht einreißen will, weil sie mich so toll schützt. Obwohl ich ja merke, dass sie meine Kinder eher verletzt. Genau wie meinen Mann.
Schwächen eingestehen – Glück ist wichtiger als Stolz
Zumindest schaffen wir es aber immer häufiger, uns nach einem Streit schnell wieder anzunähern – sichtbar für unsere Kinder! Indem wir uns umarmen und küssen und nicht mehr ernst und böse sind, sondern wieder freundlich und albern miteinander. Wir erklären ihnen, was passiert ist – warum wir uns übereinander geärgert haben und dass wir uns natürlich trotzdem lieb haben. Das scheint für die Kinder nach einem Streit so heilsam zu sein, wie die erste Antibiotika-Gabe nach einer Blasenentzündung: Wir merken sofort, wie sich ihre Mienen wieder aufhellen. Sie schauen sich unsere Versöhnung immer ganz genau an, beobachten unsere Mimik, unsere Körpersprache und wenn sie merken, dass wir es ehrlich miteinander meinen, verändert sich auch etwas bei ihnen. Meine Tochter wird sofort sicherer und mein Sohn freundlicher. Oft albern wir dann alle Vier zusammen herum, versammeln uns zum Familienkuscheln und feiern Tanzpartys in der Küche. Das sind die Momente, in denen mir dann immer die Tränen in die Augen schießen, weil ich mich ärgere und denke, wie unnötig das gerade war. Nur sagen tue ich das nie. Weil ich dann ja wieder Schwäche eingestehen müsste. – Blödes Ego!
Gastautorin Jasmin Lapp
Dieser Artikel stammt aus der Feder von Jasmin Lapp, Jahrgang 1984. Früher: Hörfunk-Moderatorin. Heute: Freie Journalistin und Tagesmutter. Vor Allem aber: Mutter. Von einem Sohn (2015) und einer Tochter (2018) ♥️