Eure Kathrin
Unerfüllter Kinderwunsch
Anfang 2001 wurde bei mir das PCO-Syndrom diagnostiziert, was in meinem Fall zu starker Zystenbildung, ausbleibendem Eisprung und einer Insulinresistenz führte. Die volle Tragweite der Diagnose wurde mir erst 2006 klar, als ein Kinderwunsch größer und mir bewusst wurde, dass ich ohne Eisprung auch nicht schwanger werden kann.
Mitte 2007 entschieden wir uns für eine Kinderwunschbehandlung in Form von hormoneller Eizellen-Stimulation. Ich musste regelmäßig zur Ultraschallkontrolle zum Arzt, um dann gezielt an bestimmten Tagen, die er vorgab „nett zu meinem Mann“ zu sein. Im Anschluss an diesen Terminsex folgte immer eine Phase des Hoffen und Bangens. Furchtbar war das und nach knapp 4 Zyklen war ich psychisch und physisch an einer Grenze, die uns beide zu dem Entschluss kommen ließ, nach dem 5. Behandlungszyklus zunächst zu pausieren.
Endlich schwanger!
Am 24.12.2007 morgens erwachte ich und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich überfällig bin. Voller Hoffnung machte ich einen Test und er war positiv. Ich konnte es gar nicht glauben!
Da ich nach dem jahrelangen Hormonbehandlungsstress sicher sein wollte, dass alles ok ist, fuhren wir am 1. Feiertag in die Frauenklinik, um dort alles überprüfen zu lassen, doch man gab uns das Gefühl, völlig übertrieben zu handeln. Auf dem Ultraschall konnte die ausgesprochen unsanfte und kühle Ärztin nur die Fruchthülle erkennen. Mehr nicht. Aber egal, ich hab mein Baby gesehen, so jedenfalls fühlte es sich für mich an und ich war völlig überwältigt.
Ein Sternenkind
Zwei Tage vor Silvester konnte ich mich abends vor Schmerzen kaum bewegen. Am nächsten Tag fuhren wir wieder in die Frauenklinik. Wir wurden wieder recht kühl empfangen und nach knapp 2 Stunden Wartezeit, mittlerweile immer unangenehmer werdenden Krämpfen und voller Sorge kam dann endlich ein Arzt.
Ohne auch nur das Nötigste mit mir zu sprechen, wurde ein vaginaler Ultraschall gemacht und dann sagte der Arzt aus dem Nichts: „Also ich kann da jetzt keine Schwangerschaft auf dem Ultraschall erkennen. Das was als Fruchthülle sichtbar war, ist jetzt kaum darstellbar. Bleiben sie doch gleich hier, dann machen wir heute noch die Ausschabung und morgen können Sie dann wenigstens schön Silvester feiern!“
Ich hab diese Dreistigkeit in dem Moment gar nicht wahrgenommen, hörte nur „Ausschabung“ und „nicht darstellbar“ und wollte nur noch weg. Ich sagte nur noch etwas von „Zeit“ und „nein“ und ging wie ferngesteuert aus dem Gebäude.
Draußen fiel ich einfach nur meinem Mann um den Hals und weinte. Mein Baby – warum!?
Zweite Chance
Es dauerte lange, bis ich meinem Kinderwunsch noch eine Chance geben konnte. Genau 2 Jahre nach diesem traurigen Silvesterfest 2007/2008 wollten wir es noch einmal versuchen. Und so fand ich mich im Januar 2010 in meiner Arztpraxis ein, um mit meiner Ärztin eine neue Hormontherapie zu besprechen.
Wir leiteten einen Zyklus ein und wollten direkt beginnen. Aber wir nahmen es beide diesmal nicht ganz so ernst, weil wir wohl dachten, dass es nicht beim ersten Anlauf klappen würde. Das Zyklusende warteten wir nicht ab, sondern fuhren erst mal ein paar Tage in den Urlaub. Am Tag unserer Rückkehr fiel mir auf, dass ich immer noch keine Periode hatte und ich testete – negativ.
Ein paar Tage später wunderte ich mich, dass ich noch immer keine Periode hatte. Ich testete noch einmal. Positiv! Ich konnte es kaum glauben!
Die Euphorie und das Glücksgefühl ließen jedoch ein wenig auf sich warten. Auch mein Mann war sehr zurückhaltend. Wir hatten beide Angst, dass wir es wieder verlieren könnten. Die Tage bis zur magischen 12. Woche zogen sich in die Unendlichkeit, aber als wir das Herzchen zum ersten Mal schlagen sahen, wurden wir optimistischer und ließen unsere Vorfreude immer mehr zu.
Um die 27. Schwangerschaftswoche herum bekam ich plötzlich starke Schmerzen im Becken. Meine Ärztin stellte eine Symphysenlockerung fest und verordnete mir einen Stützgurt. Leider half alles nur minimal und die Schmerzen wurden bisweilen so schlimm, dass selbst 20 Meter Fußweg die reinste Qual waren.
In der 35. Schwangerschaftswoche hatten wir gemeinsam mit meiner Beleghebamme einen Termin zur Geburtsplanung in der Klinik. Nach sehr gründlicher und langer Untersuchung eröffnete uns der Klinikarzt, dass wir ein makrosomes Baby (Riesenwuchs) erwarten würden und der kleine Mann auf über 4500g geschätzt wird. Außerdem sei sein Kopfumfang mit circa 39 cm sehr groß und bei der bereits vorhandenen Symphysenlockerung könne es dadurch zu einer Sprengung der Symphyse kommen, weshalb er uns definitiv zu einem Kaiserschnitt raten würde.
Geplanter Kaiserschnitt….
Diese Nachricht traf mich wie ein Schlag! Alles, nur das wollte ich nicht, aber auch meine Beleghebamme hielt es für die bessere Lösung und befürwortete den Ratschlag.
Um nichts in der Welt wollten wir unser Baby gefährden, da waren wir uns ganz einig und bei allen vom Arzt angesprochenen Horrorszenarien hatten wir einfach nur noch Angst, dass dem kleinen Mann etwas zustoßen könnte bei der Geburt. Wir waren so glücklich, dieses Baby endlich bekommen zu dürfen, da wollten wir einfach nichts, aber auch gar nichts riskieren, was ihm schaden könnte und so entschieden wir uns, wenn auch in meinem Fall unter Tränen, für die Sectio, die eine Woche vor Geburtstermin gemacht werden sollte.
Es fiel mir schwer, mich mit dem Gedanken anzufreunden. Besonders schlimm war für mich der Gedanke, dass ich durch die OP nicht unmittelbar bei meinem Baby sein könnte und die wichtigen ersten Momente nicht genießen darf. Aber auch die Stillprobleme, die oft in Zusammenhang mit einem Kaiserschnitt erwähnt werden, machten mir Bauchweh, weil ich doch so gern stillen wollte. Die meiste Angst hatte ich jedoch vor der Spinalanästhesie, denn ich hatte ich davon gehört, dass diese aufsteigen kann…
Die kurze Zeit bis zur Geburt verging wie im Flug. Im Vorbereitungsgespräch mit dem Anästhesisten erwähnte ich meine Sorge bzgl. der Spinalanästhesie, aber er beruhigte mich und sagte, dass dies in einem von 10000 Fällen vielleicht passiere und absolut unwahrscheinlich sei.
In der Klinik angekommen begann auch direkt die OP-Vorbereitung. Wir waren beiden nervös und alberten herum, um unsere Ängste zu überspielen. Als ich dann in den OP gebracht und die Narkose gesetzt wurde, schlotterten meine Knie so arg, dass zwei OP-Helfer und die Hebamme beschäftigt waren, mich ruhig zu halten, damit der Anästhesist arbeiten konnte.
Dann ging alles ganz schnell: man legte mich hin, die Beine wurden in die Beinschalen eingelegt und man begann, den OP-Bereich zu desinfizieren. Vor mir wurde das Tuch aufgehangen und dann saß auch schon mein Mann neben mir und der Arzt erklärte, dass er mich nun pieken würde und ich ihm sagen solle, ob ich noch etwas spüre, was ich mit „nein“ beantwortete.
…verläuft nicht nach Plan
Dann wurde es plötzlich trubelig, das Team nickte sich zu und ich hörte „Schnitt“, als ich merkte, dass mir die Luft knapper wird und mir das Atmen schwer fällt. Mir wurde übel und das Gefühl, nicht atmen zu können wurde zur Angst. Ich teilte es dem Anästhesisten mit, der mir daraufhin ein Beruhigungsmittel spritzte, wodurch ich alles ein wenig schwammiger wahrnahm, aber das Gefühl, meine Brustmuskulatur nicht steuern zu können, nicht aktiv atmen zu können war kaum mehr zu ertragen.
Man versuchte mich mit Aussagen, wie „er ist gleich da“ und „gleich ist es soweit“ zu beruhigen, aber das half leider nicht. Ich musste mich übergeben, aber auch das gelang kaum, weil keine Kraft da war, es herauszubringen. In diesem Moment haben die Ärzte wohl verstanden, dass ich hier nicht einfach „nur“ eine Panikattacke hatte, sondern tatsächlich etwas mit der Narkose nicht stimmte. Ich hörte ein Baby schreien, sah meinen Mann an und sah seine mit Tränen gefüllten, völlig besorgten Augen und was dann passierte, kann ich leider nicht mehr sagen, denn ab diesem Zeitpunkt bekam ich eine Vollnarkose und wurde etwa 90 Minuten später im Aufwachraum wach. Ich bat den dort anwesenden Pfleger, mich zu Mann und Kind zu bringen.
Ich will mein Baby sehen!
Er jedoch rief lediglich meine Hebamme, die kam, mir zu unserem Baby gratulierte und sagte, dass alles gut ist mit ihm und wir sicherlich gleich rüber in den Kreißsaal können. Dann kam mein Mann dazu und zeigte mir die ersten Fotos von unserem kleinen Prinzen auf der Digitalkamera.
Was zum Teufel lief hier eigentlich!? Ich wollte mein Baby sehen, ihn kennenlernen und bei ihm sein! Es fühlte sich so falsch an, aber ich war zu überrumpelt, zu schwach, um an dieser Stelle irgendeine Initiative zu ergreifen.
Etwa 2 Stunden nach der OP war ich dann endlich im Kreißsaal, wo die Hebamme mir den kleinen Mann direkt an die Brust legte, denn er war furchtbar hungrig. So ein unwirklicher Moment. Da lag er nun bei mir. So süß und niedlich, aber das Gefühl, dass er „meiner“ ist und genau der, der in den letzten 9 Monaten meinen Bauch bereicherte, fehlte mir…
Auch die ersten Tage in der Klinik waren schwierig. Dauernd öffnete sich die Zimmertür zu unserem Familienzimmer, welches wir extra gewählt hatte, um die ersten Stunden und Tage in Ruhe zusammen sein zu können. Schwestern ließen sich darüber aus, dass ich ja pausenlos stillte und mehr als 20 Minuten pro Seite purer Unsinn seien.
So begann ich, nach der Uhr zu sehen, wenn ich ihn anlegte und geriet immer mehr unter Stress, war verunsichert und wäre am liebsten weggelaufen. Zu allem Übel stieg der Bilirubinwert bei ihm grenzwertig an und er musste in ein UV-Bettchen, welches im Kinderzimmer der Station stand. So harrte ich dann die nächsten 24 Stunden in einem Stuhl vor seinem Bettchen, was dem Personal gar nicht gefiel, aber ich konnte ihn einfach nicht allein lassen. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen. Er lag dort mit Windel und Augenmaske in diesem Plastikkasten und ich fand es einfach nur furchtbar.
Die Geburtserfahrung und die ersten Tage sind bis heute für mich unglaublich schmerzhaft. Ich fühle mich solch wichtiger Momente beraubt und bin einfach unsagbar traurig, dass unser Start so verlief. Umso schöner, dass wir eine tolle und lange Stillzeit genießen durften!
Zweites Kind
Es war zu Beginn 2013, als ich erneut schwanger wurde. Völlig unerwartet, denn nach der Geburt hatte sich meine Hormonsituation nicht geändert. Das war wie ein 6er im Lotto! Zuerst hab ich hysterisch angefangen zu lachen, dann habe ich mich – dann haben wir uns – unglaublich gefreut.
Abgesehen von permanenter Müdigkeit und Übelkeit ging es mir absolut bestens und die Tatsache, dass ich diese Schwangerschaft ohne jegliches medizinisches Zutun erleben durfte, war ebenfalls ein absolutes Geschenk und Wunder für mich.
Rückblick: Eine „ganz normale“ Komplikation
Ich hatte in der Zwischenzeit viel über Geburten und diese Narkoseproblematik gelesen. Ich wusste, dass ich tatsächlich diese eine von 10000 war und auch, dass die Vollnarkose notwendig war, denn dies ist die einzige Möglichkeit, die aufsteigende Spinalanästhesie nicht mehr wahrzunehmen. Niemand hatte etwas falsch gemacht, es war eine ganz normale Komplikation, die eben sehr selten passiert. Lediglich der Umgang mit mir, dem Baby und der gesamte Stationsablauf war nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Nichts desto trotz war für mich klar, dass ich NIE WIEDER eine Sectio wollte.
Erneuter Kaiserschnitt?
Leider bekam ich in der 28. Schwangerschaftswoche die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes und es ist leider so, dass die Kliniken in der Umgebung damit sehr streng umgehen. Ein Übertragen über ET wird kaum geduldet, fast überall folgt ab ET die Einleitung, besonders, wenn der Diabetes insulinpflichtig ist, was er bei mir leider ab der 33. Woche wurde.
Auch in der von mir gewählten Klinik wurde ab Termin eingeleitet und ich hatte riesige Angst davor. Eine Einleitung nach Kaiserschnitt ist immer ein besonderes Risiko und die Möglichkeiten sind leider auch sehr eingeschränkt. Ebenso ist eine Einleitung einer der häufigsten Gründe für eine erneute Sectio, die ich ja unbedingt vermeiden wollte.
Ich spürte, wie der Druck in mir zum Ende der Schwangerschaft immer größer wurde. Mir ging es körperlich eigentlich phantastisch aber der Gedanke an die Einleitung machte mir Angst und die Sorge, wieder eine Sectio zu erleben, löste regelrechte Panik aus. Ich war bereit so ziemlich alles zu unternehmen, um die Geburt natürlich anzuschubsen, aber leider führte nichts zum gewünschten Erfolg.
Als ich mich am errechneten Termin wie besprochen zur Untersuchung in der Klinik einfand, war der Muttermund noch geschlossen und auch sonst deutete nichts auf Geburt hin. Der Arzt erklärte mir bei der Untersuchung, dass ich nun am folgenden Tag stationär aufgenommen werde und man mit der Einleitung (mittels Prostaglandingel) beginnt. Auch betonte er, dass diese Form der Einleitung natürlich nur zeitlich begrenzt vorgenommen werden kann und am Ende dann leider nur der Kaiserschnitt stünde, wenn sich die Geburt nicht einstellte.
Angst vor der Einleitung
Völlig niedergeschlagen fuhr ich heim und zu Hause kapitulierten meine Nerven dann vollends. Ich bekam heftigste Kopfschmerzen und Erbrechen und fühlte mich einfach nur noch schlapp und elendig. Mein Mann kam an diesem Tag völlig besorgt von der Arbeit und rief dann im Kreißsaal an, um sich zu erkundigen, ob ich etwas gegen die Übelkeit nehmen dürfte und die diensthabende Hebamme bat ihn, direkt mit mir in die Klinik zu kommen.
Dort angekommen wurde ich mit Infusionen wieder stabilisiert, denn inzwischen hatte sich mein Kreislauf völlig verabschiedet. Alle waren sehr freundlich und fürsorglich und ich fühlte mich gut aufgehoben, wenn auch die Angst vor der Einleitung blieb.
Am nächsten Morgen ging es mir bedeutend besser und bei der Visite beschlossen Ärztin, Hebamme und ich gemeinsam, dass wir mit der Einleitung wie geplant beginnen werden. Am ersten Tag tat sich in Sachen Wehen leider gar nichts. Auch mein Muttermund öffnete sich keinen Millimeter und überhaupt war noch nichts in Richtung Geburt geschehen seitens meines Körpers, wir beschlossen am nächsten Tag weiterzumachen. Doch erst am dritten Tag der Einleitung spürte ich deutliche, regelmäßige Wehen. Unsere Bauchmaus nahm alles mit Gelassenheit und dies motivierte mich, diesen Weg weiter zu gehen.
Mir ging es jedoch psychisch gar nicht mehr gut. Ich verbrachte täglich 7-8 Stunden im Kreißsaal am CTG, bekam die ein oder andere Geburt mit und ich war so neidisch und hätte alles gegeben, mit diesen Müttern zu tauschen. Stattdessen hörte ich bei jeder Untersuchung leider nur „Muttermundbefund ist leider unverändert“.
Am allerschwersten war für mich die Tatsache, dass niemand absehen konnte, wie lange dieser Prozess noch dauern kann. Mein Sohn fehlte mir so sehr (er war bei Omi) und er war auch noch nie so lange von mir getrennt gewesen. Dies setzte mich zusätzlich unter Druck, da ich fürchtete, er könne irgendwann Heimweh bekommen und nach Hause wollen. Da wir nicht absehen konnten, wie lange es noch bis zur Geburt dauern würde, ging mein Mann außerdem weiter arbeiten, um sich den Urlaub für die Zeit nach der Geburt zu sparen.
So ging die Einleitung weiter und die Wehen wurden immer heftiger, aber ich freute mich über jede einzelne, denn ich war überzeugt, sie führten mich ans Ziel. Am vierten Tag hatte ich alle 2 Minuten Wehen und mir blieb so gerade noch Zeit zum Luft holen, als die Fruchtblase platzte. Für mich war dies eine unglaubliche Erfahrung und zugleich eine wahnsinnige Erleichterung, denn nun, so nahm ich an, ging die Geburt endlich richtig los. Der Kopf rutschte tiefer ins Becken und mit jeder Wehe wurde der Druck nach unten größer. Ich war so zuversichtlich und mein Mann beschloss, die Nacht mit im KKH zu verbringen.
Doch im Laufe der Nacht wurden die Wehen weniger und am frühen Morgen kam nur noch eine pro Stunde und zu allem Übel waren die Entzündungswerte nach dem Blasensprung auch noch angestiegen, weshalb ich ein Antibiotikum einnehmen musste. An diesem Morgen kam die Chefärztin zur Visite und sagte mir klar und deutlich, dass das Kind heute kommen müsse. Sollte sich bis zum frühen Abend keine Geburt einstellen, kämen wir an einer Sectio leider nicht vorbei, da das Risiko der Infektion einfach zu groß sei.
Kaiserschnitt
Nun überkam mich Panik. All die Angst und Traurigkeit der Geburt unseres Sohnes holte mich wieder ein und meine Nerven verließen mich umgehend. Glücklicherweise war ich umgeben von sehr einfühlsamen Menschen, tollen Hebammen und Ärzten und natürlich meinem Mann. Alle hatten bis zu diesem Punkt mit mir gekämpft, mich unterstützt, all das durchzuhalten und mir Mut gemacht, die kleine Maus spontan zu entbinden und nun versuchten wirklich alle, mir meine Sorgen zu nehmen. Sogar der Chefarzt der Anästhesie war unglaublich einfühlsam und verständnisvoll und reagierte angesichts meiner Erfahrung mit der Spinalanästhesie bei der ersten Geburt sehr sensibel.
Dennoch fragte ich mich, warum ich die letzten Tage überhaupt in Kauf genommen habe: Mein Sohn so lange getrennt von mir, Wehen über Wehen, die nichts brachten und die unzählige Tränen, weil ich solchen Pressneid hatte mit jeder Geburt, die ich in den Nachbarkreißsälen hörte…
Es kam, wie vermutet und die Geburt stellte sich nicht ein. Um 17 Uhr klopfte der Oberarzt an die Zimmertür und sprach noch einmal mit uns über den bevorstehenden Kaiserschnitt. Mein Herz war zu diesem Zeitpunkt irgendwo weit unter den Fußboden gekrochen und lediglich der Gedanke, in ganz naher Zukunft mein kleines Babymädchen kennenzulernen, ließ mich die nächsten Schritte gehen.
Im Kreißsaal angekommen sprachen wir mit der Hebamme, welche bei der OP dabei sein würde. Glücklicherweise kannte ich alle Hebammen inzwischen so gut durch die vielen Stunden im Kreißsaal, dass ich zu nahezu jeder Vertrauen hatte und mich in ihrer Anwesenheit gestärkt und sicher fühlte. Wir besprachen den bevorstehenden Ablauf kurz und ich äußerte kleinere Wünsche, wie z. B., dass man mir den Katheter erst legt, wenn die Spinalanästhesie gesetzt ist. Dies hatte ich als sehr unangenehm in Erinnerung und war sehr froh, dass man dies hier auch später machen konnte.
Dann kam die Anästhesistin und hier war es dann auch mit meinen Nerven vorbei. Ich hatte solche Angst, dass sich das alles wiederholen würde und brach einfach nur noch in Tränen aus. Die Ärztin war jedoch unglaublich nett und wir trafen einige Vereinbarungen, die mir die Sicherheit gaben, dass es besser laufen würde. Zum einen, dass lediglich die untersten beiden Einstichmöglichkeiten ausprobiert würden. Sollte dies nicht klappen, würde die OP unter Vollnarkose stattfinden, denn jeder höher gelegene Einstichkanal steigerte auch das Risiko, dass die Narkose hochsteigen könnte. Zum anderen, dass ich während der Operation mit dem Oberkörper leicht erhöht gelagert werde. Dies birgt zwar das Risiko für spätere Kopfschmerzen, die narkosebedingt recht häufig vorkommen, aber wir beschlossen, dass Kopfschmerzen gemessen an einer traumatischen Geburtserfahrung das kleinere Übel sind.
Ich spürte sehr deutlich, dass man meine Ängste und Sorgen Ernst nahm, meine Traurigkeit nachfühlen konnte und vor allem, dass hier jeder, der an der Sectio beteiligt ist, alles dafür tun würde, dass diese Geburt für uns angenehm wird, auch wenn es nicht die erwünschte Spontangeburt ist, für die wir so gekämpft hatten. Diese Erfahrung ließ es zu, dass ich der Anästhesistin voll vertraute und ab diesem Punkt annehmen konnte, was passieren wird.
Als ich dann in den OP gebracht wurde und mein Mann im Kreißsaal zurückbleiben musste, bis die Narkose saß, spürte ich seine Unruhe und Sorge. Wir verabschiedeten uns, ohne zu wissen, was passiert. Es war ein komisches Gefühl ohne ihn in den OP zu fahren.
Im OP setzte ich mich dann in die erforderliche „Katzenbuckelhaltung“ und die Hebamme stand nun vor mir und hielt mich, während die Anästhesistin die Einstichstelle untersuchte. Ich spürte, wie sie mit der Hebamme über meine Schulter hinweg Blicke austauschte, wie angespannt alle waren und dass jeder bemüht war, diesen bevorstehenden Moment für mich versöhnlich zu gestalten. Der Einstich erfolgte, aber leider war es nicht der gewünschte „Treffer“. Nun sollte also der zweite und letzte Versuch erfolgen, eine Spinalanästhesie zu setzen. Alle wussten, dass dies der letzte Versuch ist und danach eine Vollnarkose erfolgen würde…
Die Anspannung war spürbar und ich fühlte tief in mich hinein zu meinem Babymädchen und versprach ihr, dass alles gut wird, egal was in den nächsten Minuten auf uns zukam. Ich spürte, wie mir die Tränen liefen und wie meine Beine schwer und warm wurden. Das Zeichen, dass die Spinalanästhesie wirkt. Ich sah der Hebamme und der Anästhesistin in die Augen und sah ihre Erleichterung. Der Anästhesie-Pfleger setzte mir eine Sauerstoffmaske auf, die nach Lavendel duftete und gegen die aufsteigende Übelkeit wurde mir umgehend ein Medikament gegeben, nach welchem ich mich schnell besser fühlte. Auch ich war erleichtert.
Als mein Mann in den OP kam, muss ich ihn so angestrahlt haben, dass er gleich wusste, dass diesmal alles gut gegangen ist. Er sagte nur, wie große Sorgen er sich gemacht hatte und sich so freut, dass nun alles gut ist.
Die Stimmung im OP war entspannt und ich freute mich wirklich darauf, zu erleben, wie unser Baby zur Welt kommt. Auch das Ruckeln, Zerren und Wackeln nahm ich fast dankbar an, denn all dies fehlte mir in der Erinnerung an die Geburt unseres Sohnes und ich war für jeden Schritt dankbar, den ich auf dem Weg zum Baby erleben durfte. Als unsere Maus dann geboren war, zeigte man sie uns direkt und ich war völlig überwältigt. Die berühmte „Liebe auf den ersten Blick“ nahm mich völlig ein und ich war absolut erfüllt von Glücksgefühlen.
Niemals hatte ich etwas Schöneres gesehen, als dieses frisch geborene Babymädchen, welches mir von meinem Mann an meinen Kopf gehalten wurde. Wange an Wange lagen wir da und die Pfleger schnallten mir freundlicherweise den Arm auch aus der Fixierung, so dass ich unsere Maus berühren, riechen und bewundern durfte. Es war einfach ein unfassbarer Moment, so voller Glück und Schönheit, auch wenn er in einem OP statt fand.
Diese Sectio war sicherlich nicht das, was ich als Wunschgeburt bezeichnen würde, aber es war eine schöne Geburtserfahrung. Denn das Team war so bemüht, meine Wünsche an die Geburt selbst im Rahmen einer OP umzusetzen und alles war so liebevoll und freundlich, dass ich tatsächlich sagen kann, dass wir unsere Maus in herzlicher Atmosphäre empfangen haben.
Im Kreißsaal legte ich sie direkt an und genoss jede Sekunde des Kuschelns und der Nähe. In diesen wertvollen Momenten konnte ich so viel kompensieren, was mir bei der ersten Geburt verwehrt blieb und war einfach nur glücklich und beseelt.
Die Hebamme kam in längeren Abständen zu uns, fragte, ob es uns gut ginge und ließ uns ansonsten einfach in Ruhe unser Glück genießen. Kein unnötiges Messen, kein Anziehen, einfach nur kuscheln.
Heute ist ihr zweiter Geburtstag und noch immer bin ich sehr glücklich, wenn ich an diese Momente denke. Natürlich bin ich traurig, dass ich keine natürliche Geburt erleben durfte, aber ich bin sehr dankbar, dass ich durch den zweiten Kaiserschnitt erfahren habe, wie schön auch eine Sectiogeburt sein kann. Ich werde wohl mein Leben lang wehmütig sein, wenn ich Spontangeburten im TV sehe oder sonstige Geburtsberichte lese oder höre, aber dennoch kann ich sagen, dass auch ich eine schöne Geburt erleben durfte.