Es ist zwei Wochen und 13.141 Euro (dreizehntausendeinhunderteinundvierzig Euro!) her, dass ich den Artikel „Erfüllt ihr mir meinen Herzenswunsch?“ veröffentlichte. Die vergangenen Tage waren so emotional und bewegend für mich, dass ich statt einen Artikel mit tausend Dankesworten zu füllen, kopfschüttelnd und mit einer dicken Schreibblockade vor meinem Rechner saß.
Genaugenommen saß ich kurz nach der Veröffentlichung vor dem Rechner und drückte alle paar Minuten den Refresh-Button von www.leetchi.com, um fassungslos zu beobachten wie der Betrag im Sammelpool für meine Freundin stündlich steigt. Über 1000 Menschen haben mittlerweile gespendet. Freunde, Familie, aber auch mir völlig wildfremde Personen warfen Geld in den Topf. Und das alles nur, weil ich euch darum gebeten hatte…
Was habe ich zu verlieren?
Bevor ich meinen Herzenswunsch auf das virtuelle Papier brachte, überlegte ich 2-3 Wochen, ob ich den Schritt wirklich wagen soll. Ich befürchtete, dass das Ganze zu privat sei und deswegen niemand hinterm Ofen hervorlockt. Doch als es meiner Freundin zunehmend schlechter ging und sich ihr „Noch-Mann“ einen Klops nach dem anderen leistete, knallten bei mir alle Sicherungen durch. In einer Nacht und Nebelaktion warf ich alle Bedenken über Bord – ich wollte es einfach versuchen, denn was hatte ich schon zu verlieren?
Nimm das Spendenziel raus!
„Mal ehrlich, mit wie viel Geld hast Du gerechnet?“ fragte mich eine Freundin, als wir die 10000 Euro Marke geknackt hatten. „Keine Ahnung!“ dachte ich. Ich erzählte ihr, dass es bei leetchi.com die Option gibt, ein Spendenziel einzutragen und dort ursprünglich ein Betrag von 1000 Euro stand, weil ich das für realistisch hielt. Thomas überzeugte mich jedoch davon, das Spendenziel offen zu halten, weil wir (zum dem Zeitpunkt) nicht genau wussten wie viele Schulden meine Freundin hat und weil er zudem befürchtete, dass der Spendenfluss versiegt, sobald das Ziel erreicht ist.
Glücklicherweise hörte ich auf Thomas, denn bereits einen Tag später befanden sich unfassbare 8000 Euro im Pool. Das geschah so überraschend, dass ich meine Freundin spontan besuchen musste, um ihr von dieser Sensation zu erzählen. Einerseits war ich kurz davor, vor Freude und Anspannung zu platzen, andererseits hatte ich Angst, sie könne es von einer anderen Person erfahren.
„Du bist bescheuert!“
Ich fuhr am Tag nach der Artikelveröffentlichung (am Geburtstag ihrer zweijährigen Tochter) zu ihr und bat sie zunächst den Artikel zu lesen. Während sie die Zeilen verschlang, stiegen ihr Tränen in die Augen und sie flüsterte immer wieder „Du bist bescheuert“. Als ich ihr schließlich die Spendensumme verriet, saß sie mit glühend rotem Kopf vor uns und konnte es einfach nicht glauben, dass ihr das gerade wiederfährt. Thomas und ich wir nahmen sie in dem Moment einfach in die Arme, drückten sie ganz fest und sagten ihr, dass sie viel mehr verdient hätte als das…
Erst mal die Gedanken sortieren
Noch immer sitze ich hier und kann meine Gedanken zu diesem Thema nicht klar sortieren. Denn ich habe eine simple Frage gestellt – meinen Herzenswunsch geäußert – und über 13000 Euro dafür erhalten. Das ist total verrückt. Schön verrückt. Echt.
„Wenn wir jemanden um Hilfe bitten, dann besteht natürlich die Möglichkeit, dass uns die Hilfe verwehrt wird. Aber, wenn wir uns trauen, andere Menschen um Hilfe zu bitten, werden wir erfahren, dass wir in 9 von 10 Fällen auf unsere Bitte um Hilfe ein JA hören werden.“ (Werner Forneberg)
In der vergangenen Woche lernte ich eine Menge. Ich lernte, dass es sich ungemein lohnt, mich zu überwinden und um Hilfe zu bitten. Ich lernte, dass eine Gruppe von Menschen sehr viel mehr bewegen kann, als ein Einzelkämpfer. Dass Wünsche manchmal wahr werden und dass es viel mehr gute Herzen da draußen gibt, als ich je zu hoffen wagte.
Ich finde keine Worte für das unglaubliche Gefühl, dass mich in den letzten Tagen durchflutete. Ich bin gerührt von eurer aufrichtigen Anteilnahme – von euren lieben, empathischen Kommentaren, dem Ausbleiben von negativen Bemerkungen (!) und den vielen Bemühungen meiner Freundin unabhängig von den Gelspenden zu helfen.
„Was ich fast noch schöner finde als den Geldbetrag: Du schenkst ihr Hoffnung, Kathrin. Du zeigst Deiner Freundin durch diese großartige Aktion, dass ihr Schicksal nicht nur Dir am Herzen liegt – sondern auch hunderten Menschen nahe geht, die sie nicht einmal kennen. Das wird ihr sicher Mut machen.“ (Esther)
Das Verrückte ist, es macht nicht nur ihr Mut. Ja, diese Aktion nimmt ihr finanzielle Sorgen und sie spürt zum ersten Mal bewusst, was sie anderen Menschen bedeutet. Aber auch ich dachte: „Krass, auf meine Leute ist echt Verlass. Sie heben nicht nur den Daumen bei putzigen Babyfotos oder lustigen Mama-Sprüchen, sie helfen ohne zu zögern, wenn es darauf ankommt. Wildfremde Menschen helfen einander – einfach so und ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Wenn das nicht Mut macht, was dann?“
Wie kann ich sicher gehen, dass es diese Frau wirklich gibt?
„Wie kann ich sicher gehen, dass es diese Frau wirklich gibt, sie wirklich in dieser wie von dir beschriebenen Situation steckt und das gespendete Geld auch wirklich bei ihr ankommt??? Nicht persönlich nehmen aber es gibt ja unzählige im Netz die die Gutgläubigkeit anderer ausnutzen und sich durch Spendenbetrug ein goldenes Näschen verdienen.“ (Berserk M.)
Als der Betrag Ratzfatz den fünfstelligen Bereich erreichte, staunte ich ehrlich gesagt nur, dass ihr so großes Vertrauen in mich habt. Das fühlte sich verdammt gut an. Zwischenzeitlich fragte ich Thomas augenzwinkernd, was wir nun mit den Moppen anstellen – zumal ich sie tatsächlich auch gut gebrauchen könnte (beispielsweise für die Tilgung meiner BaföG-Schulden).
Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Typ für so einen miesen Spendenbetrug bin. Und mal davon abgesehen, dass ich in meinem nächsten Leben nicht als Laus wiedergeboren werden möchte und demnach vermeide mein „Schlechtes-Karma-Konto“ mit einem Schlag durch solch ein hinterhältiges Verbrechen zu füllen, gibt es meine Freundin wirklich. Viele wissen auch, von wem ich rede, denn so viele krebskranke, junge Frauen mit drei Kindern (und ohne Mann) gibt es in unserer Stadt nicht…
Was passiert mit dem Geld?
Ich wollte meiner Freundin helfen und rief deswegen diese Aktion ins Leben, allerdings hatte ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass ich ihr in ihrer Situation nicht einfach 13000 Euro auf ihr Konto überweisen kann. Dann wäre es nämlich so schnell zerronnen wie gewonnen (weil das Arbeitsamt und ihr Mann Zugriff darauf hätten) und genau das gilt es zu vermeiden.
Unser Plan ist folgender: Der Hauptbetrag bleibt zunächst unangetastet bis Dezember (so lange der Pool läuft) bei leetchi.com. Wir werden demnächst lediglich kleinere Beträge entnehmen, um bestimmte Kosten (wie Kosten für Behandlungs- oder Rehamaßnahmen) zu bezahlen und kleinere Anschaffungen für den Haushalt und die Kinder zu machen. Das sind zwar überschaubare Summen, aber diese entlasten sie schon mal ungemein, ohne sie in Schwierigkeiten zu bringen.
Langfristig soll der Mammutanteil jedoch für die Tilgung der Schulden (im höheren fünfstelligen Bereich) eingesetzt werden. Damit das wirklich und vor allem sicher geschehen kann, setze ich mich gerade mit einem Rechtsanwalt für Familienrecht hier in Krefeld in Verbindung. In meiner Vorstellung übergeben wir ihr das Geld, wenn die Scheidung durch ist (ihr Mann und sie keine Zugewinngemeinschaft mehr sind) und sie wieder arbeitet (sie keine Unterstützung mehr vom Arbeitsamt erhält). Beides könnte mit viel Glück Mitte nächsten Jahres der Fall sein.
Sollten wir das Geld tatsächlich so lange zurückhalten müssen (mich nervt es total, dass wir einen so großen Batzen Geld für sie haben und wir ihn nicht einfach überreichen können), könnten wir es zwischenzeitlich auf unser stillgelegtes, leeres Gemeinschaftskonto packen. Ob das klug ist oder ob es eine bessere Möglichkeit gibt, kann uns dann hoffentlich in Kürze unser Anwalt sagen.
Jeder sollte eine Freundin wie Dich haben
Noch kurz eine Anmerkung zu dem „Freundinnen-Thema“, weil ihr immer wieder betont habt, was für eine tolle Freundin ich sei. Ganz ehrlich? Ich bin eher eine „Durchschnittsfreundin“. Eine, die Geburtstage vergisst und Verabredungen. Eine, die sich manchmal vor lauter Arbeit monatelang nicht meldet und Telefonanrufe wegdrückt, um in Ruhe mit den Kindern spielen zu können. Eine die gelegentlich ungeduldig und sauer wird und auch schon mal herummotzt, wenn ihr eine schlechtes-Karma-Laus über die Leber gelaufen ist…
Aber ich habe selbst gute Freunde, die für mich da waren, als ich Hilfe brauchte. Menschen, auf die ich zählen kann und die mir zeigten wie wichtig ich ihnen bin. Ich bekam streckenweise so viel Gutes, dass das schlechte Gewissen an mir nagte, weil ich nicht wusste wie ich es je zurückgeben kann. Mittlerweile sehe ich es wie einen Kreislauf, bei dem es nicht darum geht, jedem Menschen exakt das zurückzugeben, was ich von ihm erhalten habe, sondern in den Situationen zu reagieren, in denen ich mich in der Lage fühle etwas zu tun. Oder wie Leserin Annette J. sagt: „Und immer daran denken: Die Erde ist rund, es kommt (auch für den Mann deiner Freundin) alles zurück.“
So geht Gemeinschaft
„Man müsste sich gegenseitig viel mehr unterstützen, gerade wir als Eltern.“ (Anne L.)
Und genau, dass ist mein Fazit dieser Aktion. Einerseits, dass es wichtig ist, Menschen um Hilfe zu bitten und sich nicht durch das eine oder andere NEIN entmutigen zu lassen. Andererseits, dass das Leben ein Geben und Nehmen ist. „Je mehr wir anderen Menschen etwas geben, umso mehr bekommen wir auch wieder zurück.“ (Anil) Und damit ist nicht nur Geld gemeint, denn jeder von uns verfügt über etwas Kostbares wie spezielles Wissen oder nützliche Fähigkeiten…
Einfach ein gutes Gefühl
Für mein Dankbarkeitsgefühl und die Freude, die ich über eure Hilfsbereitschaft empfinde, gibt es keine treffenden Worte! Da viele von euch allerdings ebenfalls freudig mitfieberten, gehe ich davon aus, dass ihr euch vorstellen könnt, wie glücklich ich über eure Reaktion auf meine Bitte bin.
Ich halte euch weiterhin auf dem Laufenden, was wann mit dem Geld passiert und auch meine Freundin wird sich demnächst mit ein paar Zeilen zu Wort melden. Wir haben uns übrigens gegen Fotos und Videos mit ihr entschieden, ganz einfach um sie zu schützen.
So, ich gehe jetzt noch ein paar Purzelbäume vor Freude schlagen.
Aus tiefstem Herzen Danke!
Eure (immer noch fassungslose) Kathrin