Unser Mädchen (3 Jahre) herzt ihr Brüderchen fast täglich. Ohne dass ich sie je dazu ermunterte, zieht sie mir regelmäßig das Shirt hoch, um über meinen „kugelrunden Bauch“ zu streicheln und das Baby zu küssen. Morgens im Familienbett, wenn sie meine Murmel spürt, begrüßt sie ihr Geschwisterchen freudig mit „Guten Morgen“. Und auch zwischendurch erkundigt sie sich, ob das Baby schläft, angeschnallt ist (bei der Autofahrt) und ob es gerade weint (imitiert dabei Babygeräusche).
Ich bin froh, dass sie so unbefangen und selbstverständlich Kontakt aufnimmt und registriere außerdem mit Freude ihre Entwicklung zur liebevollen und sich sorgenden Puppenmama. Sie wickelt und trägt ihre Babypuppe, sie füttert sie und läuft mit rhythmischen Schaukelbewegungen durch das Zimmer, um sie zu trösten. Erste Trockenübungen als große Schwester?
Ich bin gespannt wie sie im Herbst auf das echte Baby reagiert und wie sie damit umgeht, wenn ihr Brüderchen anfangs fast nur schläft und trinkt und vor allem, wenn er viel Aufmerksamkeit fordert und diese auch bekommt.
Ich stelle mich innerlich auf eine schöne und gleichzeitig ganz schön anstrengende Zeit ein. Rechne mit der ganzen Bandbreite an Emotionen, denn neben Freude gehören Eifersucht und schlechte Gefühle bei solch einer gravierenden Veränderung dazu.
Dennoch versuche ich unser Mädchen positiv auf das neue Baby einzustimmen und meine Vorfreude mit ihr zu teilen. Wie genau ich das mache, verrät euch dieser Artikel.
Inhalt
1. Einweihen
Ich erzählte unserem Mädchen vom neuen Baby, sobald ich wusste, dass ich schwanger bin. Denn einerseits reagiert sie sehr sensibel auf Veränderungen und Gefühlsschwankungen (und ich schwankte gehörig in den ersten Wochen). Andererseits sprach ich mit Thomas und Freunden offen über die frohe Botschaft und ich wollte, dass sie es direkt von mir erfährt und nicht durch Erzählungen zu Dritten oder von anderen.
2. Aktiv an der Schwangerschaft teilhaben lassen
Ultraschall & Untersuchungen
Da ich eine Hausgeburt anpeile, werde ich abwechselnd von Arzt und Hebamme untersucht. Letzteres ist ganz besonders spannend für unser Mädchen, weil sie dann immer beim Blutdruckmessen, Herztönefinden und Bauchumfangmessen helfen darf.
Die großen Ultraschalluntersuchungen beim Arzt fand sie aber auch aufregend. Wir schauten uns das „Babykino“ als Familie an und bestaunten gemeinsam unser neues Familienmitglied auf der großen Leinwand.
Bei der Namenssuche helfen
Noch bevor ich überhaupt wusste, dass wir einen Jungen bekommen, sprach unser Mädchen interessanterweise immer von dem Baby in ihrem Bauch, das Jonas heißt. Dieser Name blieb lange ihr Favorit, gefiel Thomas und mir aber nicht.
Also hoffte ich, dass wir einen anderen Namen finden, der uns allen gut gefällt, schließlich erwarteten wir nun zu dritt ein neues Baby. Thomas und ich, wir trafen die Vorauswahl und unser Mädchen durfte dann zwischen unseren beiden „Siegernamen“ entscheiden, was sie prompt und freudestrahlend tat. Das war ein großartiger Moment und seitdem spricht sie nicht nur das Baby in meinem Bauch persönlich (also mit Namen) an, sondern sie taufte gleichzeitig ihre heißgeliebte Babypuppe so.
Babybauch bemalen
Unser Mädchen hätschelt und tätschelt meinen Bauch generell viel und gerne und sie war sie hellauf begeistert, als sie ihn bzw. „das Baby“ dann auch noch anmalen durfte.
Wir experimentieren seitdem regelmäßig mit Fingerfarbe und Pinsel oder abwaschbaren Stiften und sie darf sich nach Herzenslust austoben. Abgerundet wird die Sauerei, indem ich ihren Bauch bemale und wir anschließend Fotos knipsen und unter die Dusche steigen. Dort wird zuerst das Baby geschrubbt und dann sie. Das ist mittlerweile ein hübsches, kleines Babybauch-Ritual.
Geburtsvorbereitungskurs für Geschwisterkinder
Das Geburtshaus für das meine Hausgeburtshebamme arbeitet, bietet einen Geburtsvorbereitungskurs für Geschwister an, dessen Beschreibung sich super anhört: „Wir erleben spielerisch und kreativ die Schwangerschaft. Mutter und Kind haben 2 Stunden Zeit, um füreinander da zu sein, sich auf das „neue Geschwisterchen“ zu freuen und Interessantes über die Geburt und die sich anschließende Zeit zu erfahren.“
Den würde ich zur Einstimmung wirklich gerne besuchen, aber derzeit ist leider noch unklar, ob überhaupt genügend Mama-Kind-Paare zusammenkommen. Also Däumchen drücken!
3. Veranschaulichen, was es bedeutet ein Baby zu haben
Es ist zwar unmöglich Kinder in der Theorie ausreichend auf die neue Familiensituation vorzubereiten. Jedoch verstehen und verarbeiten Kinder Eindrücke und Situationen durch Erklärungen, Erfahrungen und Wiederholung, so dass es sinnvoll ist, die Themen Schwangerschaft, Geburt & neues Baby immer wieder auf verschiedene Weisen im Alltag aufzugreifen.
Bilderbücher lesen
Es gibt sehr viele Bilderbücher zum Thema Schwangerschaft und Geburt*. Da wir eine Hausgeburt anpeilen und sehr wahrscheinlich wieder stillen und tragen werden, fand ich diese drei Bücher ganz passend:
Thematisiert Hausgeburt, Stillen, Tragen, Stoffwindeln und den Umgang mit Erstgeborenen nach der Geburt auf angenehme Weise.
Klopft da wer?: Eine schwangere Familie, eine Hebamme und ein Baby*
Lea bekommt ein Geschwisterchen und schildert im Buch ihre Erlebnisse. Was macht die Hebamme bei den Vorsorgeuntersuchungen? Wie verändert sich Mamis Körper? Was beobachtet Lea während der Hausgeburt? Was passiert nach der Geburt?
Eine hübsche, kleine Geschichte.
Hier erzählt Lisa (vier Jahre) aus ihrer Perspektive von der Hausgeburt ihrer Schwester Runa. Inhaltlich bezieht sich das Buch auf den Ablauf der Geburt – von der ersten Wehe bis zum Wegfahren der Hebamme, was ich sehr gelungen finde. Die Ästhetik der Illustrationen dagegen mag ich weniger, auch wenn sie das Geschriebene wunderbar veranschaulichen.
Echte Babys treffen
Für uns ist es zudem sehr hilfreich, regelmäßig Freundinnen mit ihren kleinen Babys zu sehen. Dabei beobachtet unser Mädchen genau, was die kleinen Knirpse brauchen und was sie können bzw. nicht können. So genau, dass sie anschließend zu Hause „das Baby hat mir an den Haaren gezogen“ oder ähnliche Szenen nachspielt.
Mit Babypuppe spielen
Bereits zu Weihnachten erhielt unser Mädchen eine Babypuppe* von meiner Schwester, mit der sie gerne und ausdauernd spielt. Seit ich schwanger bin und regelmäßig neue Dinge für unseren Sohn anschaffe (Kleidung, Stoffwindeln, Babyschalenfusssack usw.), möchte sie allerdings lieber diese „echten Utensilien“ in ihr Spiel einbinden.
Ich stellte ihr deshalb richtige Babykleidung zur Verfügung. Sie darf ihre Puppe in Stoff wickeln und auch sonst nutzen, was sie gerade benötigt. Das bereitet ihr nicht nur Freude, sondern es scheint auch ihre kindliche Art und Weise zu sein, sich mit dem Thema (und unseren Neuanschaffungen) auseinanderzusetzen.
Baby sein
Doch unser Mädchen möchte nicht nur fürsorgende Puppenmama, sondern gelegentlich auch Baby sein. Sie tut dann so, als ob sie weint und ich soll sie trösten. Manchmal möchte sie in der Babyschale angeschnallt werden, die aus diesem Grunde gerade im Wohnzimmer steht. Und gelegentlich möchte sie sogar beim Essen auf meinem Schoß sitzen und gefüttert werden.
Ich spiele dieses Spiel mit, denn dabei handelt es sich um kindgerechtes Verhalten. Einerseits spielen Kinder in dem Alter viele Situationen, die sie erleben nach. Andererseits könnte es eine instinktive Rückversicherung sein. Bekomme ich noch genug Zuwendung und Aufmerksamkeit? Erhalte ich nach wie vor ausreichend körperliche Nähe?
Ich betrachte dieses Verhalten gelassen und begegne ihr mit Verständnis und einer großen Portion Zuneigung. Klar kann sie alleine essen und sich „vernünftig“ benehmen, aber sie darf auch wissen, dass ich weiterhin für sie da bin. Dass sie trotz aller Veränderungen ihren festen Platz in meinem Herzen hat.
Über das neue Baby reden
Unser Mädchen redet viel mit und über ihr Brüderchen und hinterfragt gewisse Dinge recht konkret. Beispielsweise, ob er dann auch „Wapu“ (unser Fantasiewort für die Brust) bekommt. Und vor allem ob sie dann auch noch stillen darf.
Ich beantworte all ihr Fragen und wenn ich merke, dass sie etwas bedrückt, versuche ich ihr die Ängste zu nehmen. Sie darf gerne an meiner Brust trinken, wenn ihr Brüderchen satt ist. Wir werden gemeinsam im Familienbett kuscheln und falls er ihr tatsächlich an den Haaren zieht (eine ihrer größten Befürchtungen), dann passe ich auf sie auf und beschütze sie.
Davon abgesehen thematisiere ich regelmäßig die wichtigsten Eckpunkte, damit sie sich innerlich auf bestimmte Situationen einstellen kann. Beispielsweise, dass wir das Baby zu Hause zur Welt bringen wollen und nicht im Krankenhaus. Wie ein Baby aus dem Bauch kommt, für den Fall dass sie dabei sein möchte. Und wie der Alltag in der Anfangszeit in etwa aussehen wird.
Als Du ein Baby warst…
Eventuell hilft es ihr zu sehen, dass sie selbst mal in meinem Bauch war und ein winziges, hilfebedürftiges Wesen unmittelbar nach der Geburt. Deshalb schauen wir regelmäßig Fotoalben aus ihrer Babyzeit an.
4. Gutes Gefühl vermitteln
Keine zusätzliche Eifersucht auf das Baby schüren
Geschwistereifersucht ist unvermeidbar und stellt sich früher oder später bei jedem Kind ein. Zum Thema „keine unnötige Eifersucht schüren“ fand ich jedoch einen wunderbaren Tipp im Internet. Eine Mehrfach-Mutter schrieb, dass sie bei versehentlichen Tritten oder Schlägen von Geschwistern gegen den Bauch bewusst nicht sagt, dass es dem Baby schaden/ weh tun könne, sondern dass es ihr selbst Schmerzen bereite. Somit ist nicht das Baby die Person auf die Rücksicht genommen werden muss, was definitiv zu negativen Gedanken führt („Ich kann nicht mehr mit Mama toben wegen dem blöden Baby“), sondern die Mutter selbst.
Das greife ich auch in anderen Situationen, beispielsweise wenn sie getragen werden möchte, auf. Ich sage meist: „Ich trage Dich ein kleines Stück bis zum nächsten Baum. Dann muss ich Dich aber absetzen, weil ich keine Kraft mehr habe.“ Das akzeptiert sie in der Regel problemlos.
Vorhandene Eifersucht Ernst nehmen
Neulich sagte unser Mädchen zu mir: „Mama! Eigentlich brauche ich das Baby gar nicht!“ Das war ein Moment, in dem ich zunächst einen Augenblick nachdenken musste, denn sie hat ja Recht. Und während ich sie fest in meine Arme schloss, sagte ich ihr das dann auch: „Stimmt, Du brauchst keinen Bruder, aber ich freue mich trotzdem, dass wir bald ein Baby haben.“ Sie lächelte.
„Die Eifersucht unter Geschwistern ist völlig normal […]. Wir können dem eifersüchtigen Kind helfen, indem wir ihm unsere bedingungslose Liebe zeigen. Es muss wissen, dass es sich nicht eifersüchtig zu zeigen braucht, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen, aber es muss auch wissen, dass wir es weiterhin lieben, wenn es sich eifersüchtig zeigt.“ (Gonzalez C., In Liebe wachsen* (2005), S. 105.)
Viel Mama-Tochter-Zeit
Da sich die exklusive Mama-Tochter-Zeit allmählich dem Ende zuneigt (was sie eventuell auch spürt), genieße ich noch jede freie Minute mit ihr. Der wachsende Bauch hindert mich zwar zunehmend daran, so mit ihr zu raufen und zu toben wie ich es noch vor ein paar Wochen konnte, aber ich fahre einfach ein Alternativprogramm. Ich liege morgens noch eine halbe Stunde schmusend mit ihr im Bett, bevor ich sie für den Kindergarten fertig mache. Ziehe am Nachmittag mit ihr durch den Wald, den Zoo oder ins Schwimmbad. Wir lesen Bücher auf der Couch und schlafen auch abends wieder ganz eng aneinander gekuschelt ein. Es gibt viel Zuwendung und körperliche Nähe, die sie bei den aktuellen Veränderungen (Kindergartenstart, neues Baby) deutlich spürbar benötigt.
5. Nicht so viele Gedanken machen
Das sollte ich mir eigentlich ausdrucken und an die Wand hängen. Denn ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich über die Zeit zu Viert grübele und gedanklich eventuell aufkommende Probleme wälze: Wie bringe ich zwei Kinder ins Bett? Akzeptiert unser Mädchen, wenn ich den Buben nach Bedarf stille? Wie verbringe ich die kalten, nassen Winternachmittage allein mit zwei Kindern? Und so weiter…
Meine Vorfreude und Neugier überwiegt jedoch. Und die Zuversicht, dass wir den neuen Nestling schon irgendwie gemeinsam schaukeln werden. Unser Mädchen kümmert sich liebevoll und fürsorglich um meinen Bauch und um ihr Babypüppchen, was sicherlich nicht das schlechteste Zeichen ist. Und falls im November trotz aller positiven Vorbereitungen doch das totale Chaos ausbricht, finden wir sicherlich auch dafür eine Lösung!
Eure Kathrin