Eigentlich wollten wir im März Thomas’ 40. Geburtstag in Tulum in Mexiko feiern. Es nach all den Jahren Budget-Urlaub mal so richtig krachen lassen. Eigentlich wollte ich im Mai eine Blockparty für unsere Nachbarschaft organisieren. Mehr Freude & Schwung in unsere sozialen Kontakte bringen. Eigentlich wollten wir im Sommer zwei Wochen in Maine campen. Die spektakulären Küsten und die Wildnis erkunden. Doch dann kam alles anders…
Den Flug nach Tulum buchte ich nicht, weil unser Visum zwar um drei Jahre verlängert wurde (siehe hier), uns aber der Eintrag im Pass fehlte. Ich hatte Bammel ohne offiziellen Stempel das Land zu verlassen und das war gut so. Denn genau an Thomas’ Geburtstagswochenende wurde der Corona Lockdown verkündet. Wir hätten so oder so nicht fliegen können.
Wir sind stattdessen – als es noch erlaubt war – zur Spiritual Retreat Horse Ranch nach Pennsylvania gefahren. Damit habe ich nicht nur die ganze Familie beschenkt, sondern völlig unerwartet den nächsten Umzug angeschubst.
Eine tiefe Sehnsucht ruft mich
Doch fürs bessere Verständnis ein kleiner Rückblick…
Irgendwann letztes Jahr sollte ich mich in einer geführten Meditation in eine Situation in meinem Leben begeben, in der ich mich so richtig frei, lebendig und glücklich gefühlt habe. Ich sah mich sofort in Australien. Kurz nachdem wir hunderte Rinder auf Pferden zusammengetrieben hatten. Ich im Sattel mit ausgestreckten Armen. Um mich herum die unendlichen Weiten des Outbacks bewundernd. Die Wahnsinns-Farben des Sonnenunterganges.
Als ich im März 2020 die Rise up & Shine Uni bei Laura Malina Seiler begonnen habe und wir uns am 1. Tag unser RUSU-Wunder vorstellen sollten (was sich nach der RUSU verwirklicht hat), hatte ich plötzlich eine ganz klare Lebensvision: Eine Family-Retreat-Ranch mit (geretteten) Pferden, auf der Kinder in der Natur toben, während die Großen in Heilung kommen.
Warum ausgerechnet Pferde?
Ich wollte schon immer reiten. Pferde zogen mich magisch an. Doch meine Eltern hatten nicht genug Geld dafür.
Und so bin ich im Jahr 2000 (als ich durch die Aufnahmeprüfung bei der Polizei gerasselt bin) schnurstracks nach Australien. Mit der fixen Idee im Kopf irgendwas mit Pferden arbeiten zu wollen. Und das obwohl ich nicht reiten konnte. Niemals geritten bin!
Tatsächlich habe ich genau so einen Job bekommen – bin dafür 72 Stunden lang im Bus quer durch Australien gefahren. Zur Roebuck Plains Station in Broome, wo ich als Jillaroo (australisch für Cowgirl) arbeitete und auf Pferden Rinder zusammentrieb.
Ich war damals so entschlossen, dass mich nichts und niemand aufhalten konnte. Doch ich hatte auch großes Glück, heute würde wahrscheinlich niemand ohne jegliche Kenntnisse für so einen Job eingestellt werden.
Fragt mich nicht woher ich damals mein Selbstvertrauen hatte, jedenfalls setzte ich mich jeden Morgen vor Arbeitsbeginn – also 5 Uhr – eine Stunde ohne Sattel aufs Pferd. Um reiten zu lernen. Selbst ein Reitunfall an einem der ersten Tage schreckte mich nicht ab. Mein Pferd ging mit mir durch und ich fiel. Mit dem Fuß im Steigbügel. Wurde ein paar Meter mitgezogen und mein Rücken war komplett aufgeschrappt. Doch ich bin direkt wieder drauf, denn Angst hatte ich seltsamerweise nie. Die Freude mit diesen wunderbaren Tieren zu sein überwog. Immer.
Zurück ins „echte“ Leben
Zurück in Deutschland habe ich meinen Pferdetraum sofort abgehakt. Mir kam damals einfach nicht in den Sinn, meine Leidenschaft mit einem Beruf zu verknüpfen. Ich war offensichtlich überzeugt etwas „Richtiges“ lernen zu müssen, um damit ernsthaft Geld zu verdienen. Doch bis ich herausfand, was das sein könnte, irrte ich ein paar Jahre herum.
Letztendlich habe ich mich für Glasrestaurierung entschieden und Pferde als unerreichbar in meinem Kopf abgespeichert. Ich mochte den Beruf und war auch ziemlich gut darin, doch er ließ mein Herz nicht tanzen.
Als das Mädchen in mein Leben trat, merkte ich, dass mir Menschen mehr bedeuten als Glas. Und so startete ich diesen Blog. Zudem flammte mit ihr das ganze Pferde-Thema wieder auf.
Mini me
Meine Schwestern teilen meine Leidenschaft für Pferde so ganz und gar nicht , dafür das Mädchen umso mehr. Sie ist genau so vernarrt wie ich.
Als wir noch in Krefeld wohnten, nahmen wir zusammen Reitstunden.
Mit fünf Jahren ritt sie ihr erstes kleines Turnier.
Hier in New York sind Reitstunden unfassbar teuer – sie kosten zwischen $100 – $130. Also hängten wir unser Hobby hier mit hängenden Köpfen an den Nagel.
An Thomas’ Geburtstagswochenende blühte sie seit langem richtig auf. Sie fütterte morgens die Pferde, half überglücklich im Stall und ritt mit strahlendem Gesicht. War ganz und gar im Flow.
Als es an der Zeit war Abschied zu nehmen, hörte sie nicht mehr auf zu weinen. Sie verweigerte Mittag und Abendbrot. Weinte den ganzen Sonntag durch. Mein Herz schnürte sich ebenfalls zu, weil ich mich in ihr erkannte. Ihren Kummer selbst schon so oft gespürt habe.
Sollen wir nach Pennsylvania ziehen?
Das besondere an der Spiritual Retreat Farm in Pennsylvania ist, dass sie von einem Mutter-Tochter-Team geführt wird. Sie bieten Ausritte, Reitstunden, aber auch Therapie mit Pferden an – z.B. für Menschen mit Ängsten oder Depressionen.
Das Mädchen und ich, wir waren uns schnell einig, dass wir in ein paar Jahren auch so ein tolles Mutter-Tochter-Team sein können. Dass wir ohne Zweifel einen gemeinsamen Herzenswunsch teilen und auf diesen hin arbeiten wollen.
Die Besitzerin der Farm betonte an jenem Wochenende bei unseren Reitstunden mehrfach, dass das Mädchen und ich „naturals“ wären, sprich Naturtalente. Dass sie uns gerne helfen würde, unseren Traum zu verwirklichen.
Da kam mir die total verrückte Idee, ob wir nicht in die Nähe der Farm ziehen sollten. Reitstunden nehmen, den richtigen Umgang mit Pferden lernen und die Equus Therapie. Die Schulen würden jetzt eh geschlossen sein – vermutlich bis zum Ende des Schuljahres.
So kam ein mächtiger Stein ins Rollen…
Vielleicht lieber eine andere Ecke Amerikas!?
Schon kurz nach unserer Auswanderung vor drei Jahren wussten wir, dass wir in dem Örtchen Larchmont nicht alt werden würden, obwohl wir vieles hier lieben. Es gibt eine schnelle Zugverbindung nach New York City, eine Hülle an umliegenden Wäldern & Parks, Zugang zum Meer, wunderschöne Häuser und sehr guten Schulen.
Doch all das macht es zu einer der teuersten Ecken Amerikas. Wir fanden es von Beginn an schräg, so unfassbar viel Geld für den Lebensunterhalt auszugeben, wo es doch andere schöne und erschwinglichere Gegenden in Amerika gibt. Für uns stand deshalb fest, dass wir uns nur auf der Durchreise befinden.
Die Coronakrise boostete unsere Idee von einem anderen Wohnort, weil auch Thomas mit dem Lockdown vom Home Office aus arbeitet. Absolut problemlos. Seine Firma bleibt mindestens ein weiteres Jahr geschlossen, denn sein Chef geht lieber auf Nummer sicher. Als Thomas anklingen ließ, dass wir mit dem Gedanken spielen wegzuziehen, erhielten wir sofort seine Rückendeckung. Und so begaben wir uns ernsthaft auf die Suche.
Wir schauten uns intensiv nach einer Bleibe in dem Städtchen State College in Pennsylvania um. Doch die Inneneinrichtungen erinnerten stets an „Gelsenkirchener Barock“. Alles schien extrem ländlich und einfach. Irgendwie zu ländlich und einfach für unseren Geschmack.
Wohin ziehen, wenn du überall leben kannst?
Mein Bauch war nicht 100%ig überzeugt von Pennsylvania. Es wäre tatsächlich nur für das Erlernen von Fähigkeiten auf der Spiritual Retreat Ranch gewesen. Nichts, was ich mir langfristig(er) vorstellen konnte, weil es außer Pferde und weitem, überwiegend flachem Land nicht viel gab. Thomas ging es ähnlich.
Und so überlegten wir erneut. Wir hatten freie Wahl, doch wo wollten wir leben? Was war uns als Familie wichtig? Wir brainstormten…
Wichtige Punkte für unser neues zu Hause:
- Zugang zur Natur – viel Natur!
- Liegt in der Nähe einer größeren, hübschen Stadt
- Günstigere Mieten/ Lebenskosten und
- Günstigere Steuern?
- Familienfreundliche Gegend (sprich gute Schulen und Angebote für Kinder)
- Angenehmes Wetter (nicht bitterkalt)
- Kein Umweltkatastrophengebiet (regelmäßige Waldbrände oder Hurrikane)
Dann begann ein wilder Gedankenritt, den wir bewusst mit niemandem teilten, weil er so kreuz und quer schoss, dass uns selbst manchmal schwindelig wurde 🙂
Wir fingen in Austin an – einer Empfehlung von Thomas’ Arbeitskollegen. Bewegten uns gedanklich zu den Woodlands in Texas (soll extrem familienfreundlich und schön sein). Aufgrund der extrem heißen Temperaturen in Texas und dem endlos langen Sommer, schielten wir schließlich nach Florida. Ist wie Texas steuerfrei. Doch auch dort warten Extremtemperaturen und zudem Hurrikane. Kalifornien reizt mich auch sehr, aber ist ähnlich teuer wie New York und Reiten somit nicht drin.
Ich erinnerte mich an Maine – Dr. Herbert Renz Polster schwärmt immer noch von seiner Zeit in Portland. Wo ich bei meiner Recherche zufällig ein günstiges Miethaus fand, mit einem Stall für zwei Pferde! Daraufhin wurde es richtig verrückt und wir spielten kurz mit dem Gedanken einfach eine kleine Farm zu kaufen, statt Geld für Mieten zu verschwenden. In Vermont. Oder Upstate New York.
Glücklicherweise hielt mich Judy Schneider, eine sehr hilfsbereite Equus Therapeutin und Psychologin, die ich per Mail nach etwas ganz anderem gefragt hatte, davon ab. Sie riet mir, mein wunderbares Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, doch zunächst wie geplant in verschiedenen Ställen mitzuarbeiten und Erfahrung/ Wissen zu sammeln, bevor ich mir selbst Pferde anschaffe.
Was mich zuerst knickte (weil ich quasi nur eine Handlänge von meinem eigenen Pferd entfernt war), schien mir nach reiflicher Überlegung der klügste Ratschlag, den ich je hätte bekommen können. Gleichzeitig wurde ich auf Charlotte in North Carolina aufmerksam. Eine wunderschöne Stadt mit viel Natur (Wälder und Seen), guten Schulen, vielen Pferdehöfen, wesentlich günstigeren Lebenskosten und herrlich warmen Wetter.
Wir ziehen am 21. Mai nach Charlotte!
Je mehr ich über Charlotte las, desto sicherer wurde ich mir, dass ich das perfekte nächste Etappenziel für uns gefunden hatte. Jedem, dem ich in meinem Umfeld (hier in New York) davon erzählte, schwärmte sofort wie schön es dort sein soll. Entweder waren sie schon dort gewesen oder es stand ganz oben auf ihren Reisewunschlisten.
Das Suchen nach einer neuen Bleibe dämpfte zunächst meine Euphorie, weil ich nur an riesige Immobilienagenturen geriet, die mit automatisierten E-Mails und Textnachrichten antworteten. Dann hatte ich zufällig eine Immobilienvermittlerin am Telefon, die sich richtig ins Zeug legte. Mir mehrere Häuser schickte, darunter auch unser neues Heim, welches zu dem Zeitpunkt noch gar nicht offiziell auf den Markt war. Wir warteten geduldig, bis wir es via FaceTime besichtigten durften und schnappten sofort zu.
Richtig abgefahren finde ich die Tatsache, dass sich direkt zwei Nestling-Leserinnen bei mir meldeten, als ich in der „Deutsche in Charlotte Facebookgruppe“ um Umzugsrat bat. Judith, deren Töpferkünste ich immer bei Instagram bewundert habe (siehe hier), wohnt direkt 5 Radminuten von unserem neuen Haus entfernt. Sie drehte ein kleines Video und bestätigte, dass sowohl die Schule, als auch die Umgebung der Hammer sind. Leider zieht sie im Juni wieder zurück nach Deutschland. Doch 15 Minuten weiter wohnt die andere, kontaktfreudige „Nestling-Familie“ (siehe hier) Permanent 🙂
Jedenfalls ist jetzt alles unterzeichnet und offiziell: Wir ziehen am 21. Mai nach Charlotte!
Zeit für Veränderungen: Was bereitet uns wirklich Freude?
Pfeif auf Tulum, die Blockparty und das Campen in Maine – wir haben in den letzten Wochen sehr detailliert herauskristallisiert, was unser Herz hüpfen lässt. Uns so richtig fett Freude bereitet. Und damit meine ich nicht nur unseren Pferdetraum.
Ich hab mir all meine Lebensbereiche (Partnerschaft, Freunde, Finanzen, Beruf usw.) vorgeknöpft, eine ehrliche Bestandsaufnahme gemacht und gesehen, dass das noch sehr viel mehr möglich ist (Stichwort Lebensrad). Dass es an der Zeit ist für Veränderungen – aus meinem tiefsten Inneren heraus.
Ich habe gelernt, dass jede große Veränderung mit einem kleinen Gedankensamen beginnt und dem starken Willen aktiv zu werden. Ins Handeln zu kommen. Ich habe staunend erleben dürfen, wie sich mein Umfeld und meine Beziehungen verbessern, wenn ich an MIR arbeite. Dass sich alles um mich herum verändert, wenn ich mich (meine Gedanken/ Ansichten/ Handlungen) ändere.
Wir haben zudem als Familie erkannt und gelernt, dass Freude nur in uns und durch uns entsteht. Indem wir einerseits dankbar sind für unser Leben und den Reichtum, der uns umgibt. Und uns andererseits uns an die Dinge erinnern, die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern und diese aktiv in unser Leben einladen.
Neben alltäglichen Aktivitäten wie Tanzen, Lachen, Kuscheln und Rumtoben, bereitet uns allen das Reisen große Freude. Das Erkunden von fremden Orten. Das Kennenlernen neuer Menschen und Gepflogenheiten. Wir haben New York intensiv abgegrast und da gäbe es sicherlich noch viel mehr zu entdecken. Doch der Umzug in einen anderen Staat eröffnet uns unendlich neue Möglichkeiten.
Zudem sparen wir viel Geld. Dieses darf auf das Sparkonto fließen und natürlich in Reitstunden. Aber gerne auch zu Familien in Charlotte, denen es aktuell nicht so gut geht. Die ersten Kontakte sind auch da schon geknüpft.
Was sagen die Nestlinge dazu?
Auch hier spielt uns die Corona-Quarantäne in die Karten. Die Nestlinge haben ihre Freunde seit Wochen nicht mehr gesehen, denn sie sind nach wie vor keine Fans von FaceTime.
Der Bub vermisst lediglich seine Freundin – tatsächlich seine erste große Liebe – aber auch hier verblassen die Gefühle und Erinnerungen schon deutlich. Das Mädchen hat zwei beste Freundinnen, von denen eine selbst im Sommer wegzieht. Zudem werden hier ja jedes Jahr die Klassenverbände neu gemischt. Es gibt keine Garantie auf ein neues Schuljahr mit Freunden in der gleichen Klasse, aber ganz sicher immer Kinder, mit denen sie noch nie zu tun hatte.
So ganz ohne Abschiedsschmerz wird der Umzug trotzdem nicht verlaufen. Wir haben unser Haus, die Gegend und Nachbarn ins Herz geschlossen. Auf Wiedersehen zu sagen ist immer traurig. Doch bei allen überwiegen die Freude und die Abenteuerlust. Ich bin sehr froh, dass wir den „Travelbug“ vererbt haben 🙂
Dem Herzen folgen und dabei nicht beirren lassen
„Willst du mit 40 wirklich noch mal neu beginnen?“ fragte mich mein innerer Kritiker vor einigen Wochen. „Wann willst du denn anfangen, anständig zu arbeiten? Ordentlich Geld zu verdienen? Endlich was Richtiges zu machen?“
Mit meiner lebhaften Erinnerung an Australien verstummte er. Mir (und ihm) ist mit dem Rückblick bewusst geworden, was sich erreichen lässt, wenn ich etwas wirklich will. Dass das Unmögliche möglich werden kann, wenn ich mich auf den Weg mache. Vielleicht nicht immer und in jedem Fall, aber wenn ich mutig losgehe, dann kann ich auf dem Sterbebett zumindest nicht herum jammern, dass ich es nicht versucht hätte. Nicht alles gegeben.
Ich will aufhören mir irgendwelche Geschichten zu erzählen von wegen ich bin zu alt oder nicht ausgebildet genug oder was auch immer. Geschichten, die mich lediglich davon abhalten aus meiner Komfortzone zu treten und meinen Träumen zu folgen. Ich habe mich entschlossen diese Gedanken über mich (und die damit verknüpften Ängste) hinter mir zu lassen. Ausschließlich meinem Herzen zu folgen und zu staunen, welche Türen sich dadurch für mich öffnen.
Eure Kathrin