Wie bereits erwähnt, hatte ich überhaupt keine Ahnung vom Stillen – keinen Plan, keine Technik! Ich wusste nichts, außer dass ich unser Mädchen nicht an die Schwestern abgeben wollte, um „in Ruhe“ zu schlafen. Ich war doch jetzt Mama und wie sollte ich umgehend auf die Bedürfnisse meiner Tochter reagieren, wenn sie einige Zimmer entfernt von mir schlief? Ich musste sie doch kennen lernen, sie beobachten und viel wichtiger, verstehen wie sie mit mir kommuniziert!
Obwohl ich von der Geburt noch ziemlich platt und ausgelaugt war, genoss ich das schönste „Fernsehprogramm“ der Welt! Das kleine Wunder lag in ihrer Wiege neben mir und ich betrachtete sie durch die Scheibe. Wie winzig sie war! Ich konnte es nicht verstehen, nicht fassen, dass dieses Wesen noch vor einigen Stunden Teil meines Körpers gewesen sein soll. Ein seltsamer Gedanke!
Unser Mädchen schlief anfangs sehr viel. Wenn sie wach wurde und sich mit ihrem wirklich zart Stimmchen meldete, nahm ich sie zu mir ins Bett und legte sie neben mich. Genau wie beim ersten Mal fand sie stets den Weg, trank wenige Minuten, um dann wieder völlig zufrieden einzuschlafen. Erst legte ich sie immer wieder zurück, aber dann fand ich Gefallen daran auch mit ihr zu kuscheln, wenn sie nicht trank.
Unser sehr intimes Kennenlernen wurde leider gestört durch die Bemerkungen oder manchmal auch pure Anwesenheit einiger Schwestern. Während es sehr herzliches Personal gab, die unsere traute Zweisamkeit nur mit einem freundlichen Lächeln kommentierten, konnten sich vor allen Dingen ältere Schwestern der, wie mir schien, alten Schule, bissige Rügen nicht verkneifen. Sie gehöre in ihr eigenes Bett, so was solle ich gar nicht erst einreißen lassen, sie könne mir ja aus dem Bett fallen, sind nur einige Beispiele. Ich hatte großen Respekt vor dem Krankenhauspersonal und leistete den Aufforderungen Folge. Leider! Heute würde mir das nicht mehr passieren. Nur noch still und heimlich ließ ich unser Mädchen in meinem Bett und tat stets so, als hätte ich sie gerade gestillt, falls jemand fragte. Wie anstrengend…
Das Stillen in den ersten Tagen war ungeheuer wichtig für mich. Bei jeder Mahlzeit merkte ich deutlich, wie sich meine Gebärmutter zusammenzog. Und nur zehn Tage nach der Geburt hatte unser Mädchen mir meinen ganzen Bauch „weg gesaugt“! Ich staunte nicht schlecht. Von dem Schönheitseingriff abgesehen, viel es mir leichter die Entbindung zu begreifen. Wortwörtlich. Zu spüren wie sie an meiner Brust saugt und zu sehen wie sie dabei satt, ruhig und gänzlich zufrieden wird, ist bis heute ein für mich unerklärliches Phänomen der Natur. Sie so dicht an mir erleben zu dürfen, sie zu nähren und zu behüten, schürte meine Muttergefühle immens. Diese waren unmittelbar nach der Geburt nicht sehr stark ausgeprägt und ich entsprechend verwundert. Als ich schließlich in der dritten Nacht etwas wirklich Blödes von ihr träumte (sie war in einen Unfall verwickelt) und zum ersten Mal Angst um sie verspürte, war die Bindung wohl geschaffen.