Seit der Geburt unseres Sohnes im November 2014 stille ich ein Baby und ein Kleinkind. Ich bin also nicht nur eine „Langzeitstillende“, sondern nun auch eine „Tandemstillende“. Total verrückt, wenn man bedenkt, dass ich bei unserem Mädchen noch glaubte, eine Stillbeziehung sei nach etwa 6 Monaten (mit Einführung der Beikost) beendet. Mittlerweile stille ich seit über 3,5 Jahren und seit 6 Wochen ein Geschwisterpaar. Erstaunlich wie sich Ansichten durch Wissen ändern können…
Inhalt
Stillen in der Schwangerschaft
Als ich vor etwa einem Jahr zum zweiten Mal schwanger wurde, stillte ich unser Mädchen noch (siehe „Langzeitstillen: Ist da überhaupt noch was drin?“). Schwangere können und dürfen stillen, sofern sie das wollen und ich sah meinerseits keinen Grund abzustillen. Allerdings vermutete ich, dass sich unsere Tochter im Laufe der Schwangerschaft von alleine abstillen würde. Nicht weil sie die Bereitschaft dafür zeigte, sondern weil die Schwangerschaftshormone bei vielen Frauen bewirken, dass die Milch zurückgeht oder anders schmeckt. Doch die Schwangerschaft beeinflusste weder meine Milchmenge noch den Geschmack (zumindest ließ sich meine Tochter nichts anmerken) und so stillten wir weiter.
Wir steuerten somit volle Kraft voraus auf das Tandemstillen zu. Ich ahnte, dass es (sowohl emotional als auch organisatorisch) nicht einfach werden würde und überlegte mehrfach, ob es nicht besser sei, dass Mädchen vor der Geburt abzustillen. Ich war hin und hergerissen und fühlte mich überfordert eine (Abstill-)Entscheidung zu treffen.
Mich störte das Stillen meiner Großen nicht. Im Gegenteil: Es war ein schnelles und zuverlässiges „Einschlafmittel“. Sie wollte von sich aus nicht aufhören und ich konnte nicht abschätzen, was besser für sie ist. So ließ ich es einfach laufen.
Das erste Tandemstillen
Als unser Mädchen ihrem Bruder wenige Stunden nach der Geburt (gegen 17 Uhr) zum ersten Mal begegnete, schaute sie ihn an und warf sich kurz darauf weinend in meine Arme. Heute weiß ich nicht mehr, ob sie mich fragte oder ich sie, jedenfalls lag ich wenige Minuten später mit beiden Kindern an der Brust auf unserer Kuschelmatratze. Ich erinnere mich noch gut an mein Erstaunen über die enorme Leistung meines Körpers und an dieses „verbindende“, sehr positive, ja fast stolze Gefühl.
Während die beiden um die Wette tranken, beäugte unser Mädchen ihren Bruder skeptisch, aber neugierig. Ihre Finger untersuchten sein kleines Gesicht und seinen Körper. Sie ertaste vorsichtig seine Haut und streichelte sein Köpfchen. Sie wirkte erleichtert (wohl weil ich ihr die Brust nicht verwehrte) und entspannt. Ich war platt, aber sehr glücklich.
Mehr stillen denn je
In den ersten Tagen nach der Geburt wollte unser Mädchen plötzlich mehr stillen. Vielleicht, weil ihr Bruder fast immer an mir hing, wenn sie nach Hause kam. Vielleicht, weil sie mich in den ersten zwei Wochen sehr wenig sah. Ich schickte sie nämlich nach der Kita zu Freunden und Verwandten, damit ich im Wochenbett liegen konnte. Aber vielleicht wollte sie sich auch nur vergewissern, dass sie ihren Platz an meiner Brust nicht verloren hat. Dass ich sie nicht abschiebe, nur weil ein Geschwisterchen da ist.
Die Vorteile des Tandemstillens
Ich erfüllte ihr diesen Wunsch zunächst, da ich ihr den Start ins „große-Schwester-Leben“ erleichtern wollte. Beim Stillen konnte sie schon immer gut herunterfahren und auch in dieser für sie sehr harten Situation wirkte es beruhigend. Da war ja schließlich der Bub, der ebenfalls (viel) Milch forderte. Aber ich hatte sie ja bereits vor der Geburt darauf vorbereitet, dass ihr Brüderchen nichts essen, sondern nur Milch trinken kann. Zudem merkte sie schnell, dass mehr als genug für beide da ist.
Ich genoss das Tandemstillen in dieser Zeit, da ich mich kaum bewegen, auf diese Weise aber intensiv um beide „kümmern“ konnte. Wir kuschelten jeden Tag zu dritt und ich spürte wie das Band zwischen meinen beiden Nestlingen von Tag zu Tag stärker wurde.
Unser Mädchen erhielt die Rückversicherung, dass sie nach wie vor meine Zuwendung und Nähe bekommt und akzeptierte so schnell, dass der Bub ebenfalls viel Aufmerksamkeit benötigt. Sie wartet geduldig, wenn ich ihn wickle oder stille und schenkt ihm regelmäßig Liebkosungen. Und falls sie doch mal eifersüchtig ist, was selten passiert, lässt sie ihre Emotionen an Thomas und mir aus. Der Kleine bleibt verschont.
Das Stillen zweier Kinder brachte mir außerdem nach kürzester Zeit meine normale Figur zurück. Ich aß für drei (vor allem Schokolade) und nahm trotzdem kontinuierlich ab. Das intensive Stillen bewirkte eine enorm schnelle Rückbildung der Gebärmutter und so war bereits wenige Tage nach der Geburt nicht mehr viel vom einstigen Kullerbauch zu sehen. So fix nach einer zweiten Schwangerschaft wieder in „alter Form“ zu sein, sorgte für Hochgefühle.
Von negativen Gefühlen
Das Tandemstillen hat allerdings auch seine Schattenseiten. Der Bub ist ein Vieltrinker und schlief in den ersten Wochen vorzugsweise an der Brust ein. Durfte unser Mädchen mitstillen, wollte auch sie ausgiebig trinken. Doch je fitter ich wurde, desto mehr nervte mich diese Dauernuckelei, vor allem weil sie vor der Geburt tagsüber schon lange nicht mehr gestillt werden wollte.
Sie kam mir plötzlich so groß und fordernd („Ich will jetzt aber trinken!“) vor, während es sich wunderschön anfühlte, wenn diese kleine Knabenschnute trank. Ich empfand zunehmend eine innere Ablehnung, ja manchmal regelrechte Aggressionen, wenn unser Mädchen am Tage stillte und erschrak über meine sich verändernden Gefühle.
Ich merkte, dass es an der Zeit für eine Veränderung war. Nach circa drei Wochen bot ich ihr Alternativen an, wenn sie meine Milch wünschte, denn eine Stillbeziehung (wie jede andere Beziehung auch) kann nur funktionieren, wenn sich beide Seiten wohlfühlen. Sie darf stattdessen etwas Leckeres essen oder trinken, mit mir spielen, lesen oder kuscheln.
Sie akzeptiert das erstaunlich gut, obwohl es immer noch Tage gibt, an denen sie versucht, mich mit einer Frage-Dauerschleife zu überzeugen. Aber ich bleibe dabei, es sei denn sie ist krank (wie vor kurzem, da hatte sie fast 40 Grad Fieber). Und gerade weil sie so gut kooperiert, passiert es gelegentlich, dass ich auf den Kleinen sauer bin. Wenn ich beispielsweise in Ruhe ein Buch mit ihr lesen möchte, nachdem sie schon sehr lange auf mich gewartet hat, aber der Knabe sich beim Lesen im Sitzen nicht beruhigen lässt. Er und seine Bedürfnisse haben selbstverständlich Vorrang, doch sie tut mir dann echt leid.
Nächtliches Tandemstillen
Das Stillen eines Kindes in der Nacht machte mir kaum etwas aus. Klar, hätte ich lieber durchgeschlafen, aber angedockt mit unserem Mädchen fand ich meist nach wenigen Sekunden wieder in den Schlaf. Das Stillen zweier Kinder dagegen frustrierte mich bereits in meiner ersten Nacht als Tandemstillende.
Der Bub grunzte so laut, dass ich lieber mit ihm im Wohnzimmer auf unserer Kuschelmatratze schlief, während Thomas das Familienbett mit unserem Mädchen teilte. Nun verliefen die Nächte so, dass ich den Knaben nach Bedarf (sehr häufig) anlegte und wenn unser Mädchen wach wurde (meist 1-3 Mal pro Nacht) ins Schlafzimmer flitzte, um sie wieder in den Schlaf zu stillen. Mal davon abgesehen, dass ich aufgrund der Geburtsschmerzen kaum alleine aufstehen konnte, nervte dieses Hin- und Herrennen (das ständige aus dem Schlaf gerissen werden) total.
Ich zog es zunächst so durch, weil mir keine bessere Lösung einfiel. In Nacht Nr. 8 schliefen wir dann alle gemeinsam im Familienbett. Ein Experiment, das von Thomas ausging, weil er sich erhoffte, dass es funktioniert. Es hätte ja tatsächlich klappen können, aber in Wirklichkeit endete es damit, dass ich gefühlt die ganze Nacht stillte (im Wechsel versteht sich) und unser aufgeregtes Mädchen (Mama war ja endlich wieder da!) ab 3 Uhr morgens 1,5 Stunde durchplauderte (siehe „Plötzlich Mama von zwei Kindern“). In dieser Nacht wurde mir klar, dass ich die Große nachts abstillen muss, wenn wir alle halbwegs genug Schlaf bekommen wollten.
Nächtliches Abstillen
Mein Entschluss war gefasst und mir graute es vor der Durchführung. Aber es dauerte noch vier weitere Nächte bis wir mit dem Abstillen starten konnten, weil ich das mithilfe einer Farbuhr (zeigt unserem Mädchen, wann sie wieder stillen darf) und einer Beruhigungs- Schildkröte (mit Farbspiel und meditativen Klängen) angehen wollte. Mit der Lieferung des „Abstill-Equipments“ am 05.12.2014 starteten wir.
Zu diesem Thema folgt in Kürze ein separater, ausführlicher Bericht, weil das sonst den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. An dieser Stelle nur so viel: Es war übel. Das Übelste, was ich bislang mit unserem Mädchen durchmachen musste…
Nach etwa zwei Wochen war das Schlimmste überstanden. Seitdem wird unser Mädchen nur noch abends zum Einschlafen und morgens, wenn der Wecker im wahrsten Sinne des Wortes grünes Licht gibt, gestillt. In der Zeit zwischen 20 Uhr und 6.30 Uhr ist Thomas für sie da, falls sie aufwacht. So muss ich mich jetzt nachts nur noch um den kleinen Nestling kümmern – eine riesige Entlastung!
Tandemstillen – nacheinander oder gleichzeitig?
Da ich die Große ja fast nur noch morgens und abends stille, passiert es recht selten, dass beide Kinder gleichzeitig trinken. Abends zum Einschlafen finde ich das unpraktisch, weil unser Mädchen normalerweise zuverlässig nach wenigen Sekunden an der Brust einschläft, aber wenn wir zu dritt im Bett liegen, lieber den Bruder betrachtet und betastet. Dadurch verlängert sich das Einschlafprozedere ungemein, weswegen ich zuerst den Knaben abfülle, der danach bei Papa bleibt und dann die Große ins Bett bringe.
Morgens hätte ich nichts gegen das gleichzeitige Stillen, aber in der Regel pennt der kleine Racker noch, wenn unsere Tochter erwacht und so nutzen wir Mädels diese ungestörte Zeit, um ausgiebig und in Ruhe im Familienbett zu kuscheln. Demzufolge gibt es bei uns nur sehr wenige gemeinsame Stillmahlzeiten: Wenn der Kleine sich abends partout nicht von Papa in den Schlaf begleiten lässt, wenn er morgens eher wach wird oder wenn ich unser krankes Mädchen am Tage stille.
Genug Milch für zwei?
Bis zur Geburt änderten sich weder meine Brustgröße noch die Menge der Milch. Ich glaubte durch das Langzeitstillen blieben mir große Veränderungen, wie ein heftiger Milcheinschuss, erspart, doch ich irrte mich.
Nach der Geburt produzierte mein Körper zunächst fleißig das Kollostrum (die erste mit vielen Antikörpern versehene Milch), von dem auch die Große etwas trank. Am dritten oder vierten Tag bekam ich plötzlich riesige Brüste und Milch für eine ganze Kinderschar. Der Bub verschluckte sich ständig, weil die Milch förmlich aus meinem Brüsten schoss; ich musste mich mit Stilleinlagen vor meinen Milchbächen retten und meiner Großen wuchs allmählich ein Doppelkinn,
Sehr viel Milch zu haben, ist ein Luxusproblem, wenn man bedenkt, dass sich viele Mütter über zu wenig klagen. Dennoch ist es unangenehm, nachts in der eigenen Milch zu baden und nach dem Stillen mit klatschnassen Flecken auf dem Shirt herumzulaufen. Deshalb freue ich mich auf die Zeit, in der mein Körper verstanden hat, dass er nur zwei und nicht zwanzig Kinder mit Milch versorgen muss. Doch erfahrungsgemäß dauert das leider noch ein Weilchen…
Schlussgedanken
Ein Baby und ein Kleinkind zu stillen ist eine schöne, aber gleichzeitig ziemlich anstrengende Erfahrung. Dem großen Geschwister hilft es, die Ankunft des Babys besser zu verarbeiten – Tandemstillen verbindet und mindert die Eifersucht. Für Mütter ist es ein großer Spagat. Zwei Kinder zu stillen, bedeutet noch mehr auf die eigenen körperlichen und emotionalen Grenzen zu achten und gute Kompromisse für alle Beteiligten zu finden.
Bei mir dauerte es ein paar Tage, bis ich wusste, was ich leisten konnte und wollte. Bis ich herausfand, wen ich wann, wie oft stillen kann. Ich reduzierte die Stillmahlzeiten der Großen drastisch, weil das Dauerstillen zweier Kinder zu sehr an meinen Kräften zehrte. Außerdem liebe ich das Stillen und möchte gerne beiden Kindern meine Milch geben, allerdings ohne das Gefühl, herhalten oder mich aufgeben zu müssen.
Das Tandemstillen zeigte mir noch einmal deutlich, dass es bei der bedürfnisorientierten Erziehung nicht nur darum geht auf die Bedürfnisse der Kinder zu schauen, sondern auch die eigenen und die des Partners nicht aus den Augen zu verlieren. Wichtig ist, dass es allen in der Familie gut geht. Eine kniffelige Aufgabe, die Abstriche von jedem einzelnen verlangt und zu Konflikten führt. Letztere sind aber gut und wichtig, weil sie uns zu neuen Lösungen lotsen, die im besten Fall die Familienmitglieder aneinander wachsen lassen und noch mehr verbinden.